Wenn jedoch die meisten Wahlkreise „ihren“ Direktkandidaten bekommen, manche aber nicht, dann liegt keine Wahlgleichheit vor. Insbesondere, weil die aufgrund der Zweitstimmenanteilsüberschreitung oder Verfehlung der Fünf-Prozent-Hürde ausgeschlossenen Direktkandidaten einzögen, wenn sie nicht als Partei-, sondern als Einzelkandidat anträten. Ich würde also damit rechnen, dass das Bundesverfassungsgericht den Ausschluss von Direktkandidaten kassiert.Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt.
Wie das Bundesverfassungsgericht die fehlende Ausnahme von der Fünf-Prozent-Hürde bei Erreichen von Direktmandaten sieht, ist unbekannt. Gegen diese Ausnahme spricht, dass sie zu Missbrauch einlädt: Eine große Partei könnte einer kleinen drei Wahlkreise überlassen, um sie in den Bundestag zu hieven. Außerdem ist die Gleichheit nicht gewährleistet: Eine Partei mit 4,9 % fliegt raus, während eine Partei mit noch weniger Anteil rein kommt, wenn sie drei Direktkandidaten präsentieren kann. Für diese Ausnahme spricht, dass damit auch regional stark verankerte Parteien in den Bundestag einziehen können. Ohne diese Ausnahme hätte eine nur in Thüringen antretende Partei keine Chance, in den Bundestag einzuziehen. Selbst wenn alle Thüringer diese Partei wählen, würde sie keine 5 % erreichen.
Tatsächlich sehe ich die geplante Implementierung der Fünf-Prozent-Hürde kritisch. Insbesondere die fehlende Möglichkeit einer Ersatzstimme (in Form einer Reihenfolge/eines Rankings) gefällt mir nicht:
- Die Leute, die eine die Fünf-Prozent-Hürde verfehlende Partei wählen, werden ausgeschlossen. Sie werden so gestellt, als ob sie überhaupt nicht zur Wahl gegangen wären.
- Das begünstigt das taktische Wählen: Um die Stimme nicht zu „verschenken“, wählen sie nicht die Partei, die ihrer Überzeugung am nächsten ist, sondern das „kleinste Übel“ unter den großen Parteien. Es werden also die großen Parteien begünstigt.
- Das begünstigt auch die Mehrheitsumkehr: Politische Lager, die in nur einer großen Partei daheim sind, werden besser gestellt als die, die in vielen kleinen Parteien daheim sind.
Zusätzlich würde ich noch Ausnahmen von der Fünf-Prozent-Hürde für regional stark verankerte Parteien vorsehen. Das wäre dann der Fall, wenn eines dieser Kriterien erfüllt ist:
- Die Partei gewinnt ein Direktmandat
- Die Partei erreicht 10 % der Stimmen in einem Bundesland
- Die Partei erreicht 33,3 % der Stimmen in einem Wahlkreis
Verabschieden müssen wir uns von der Vorstellung, dass man mit der Fünf-Prozent-Hürde radikale Parteien aus dem Parlament fernhält. Im Gegenteil: Ich vermute, der Erfolg der AfD wurde durch die Fünf-Prozent-Hürde gefördert. Es wird der Populismus begünstigt, weil man damit mehr Wähler bekommt als mit gemäßigten Positionen.