Die Chefredakteure schrieben zuerst, dass von 44 Lokalradios 40 dem Verein angehören. Bei den Zahlen für den Bürgerfunk-Auslastung liefern sie nur Zahlen für 32 Lokalsender. Wissen also 8 Sender nicht, wieviel Bürgerfunksendungen sie ausstrahlen? Wenn es automatisiert ist, lässt das schnell erfassen. Die Bürgerfunker müssen eine Sendeanmeldung beim Sender einreichen. Ich hörte, dass es in mehr als nur 5 Verbreitungsgebieten gar keinen Bürgerfunk gibt, soweit ich mich erinnere, waren es 11 bis 12 Gebiete.
Sehr gut ist auch die Meinung von Prof. Dr. Bernd Holznagel, LL.M. und Jan Christopher Kalbhenn, LL.M. von der Wilhelmischen Universität Münster:
Zur Strukturelle Vielfaltssicherung schrieben sie:
Der zu berücksichtigende Nutzen eines landesweiten Programms für die „Vielfalt im Hörfunk insgesamt“ in NRW soll darin bestehen, dass die bestehenden lokalen und regionalen Angebote gestärkt und unterstützt werden. Als denkbare Maßnahmen hierfür werden „etwa Angebote oder Beteiligungen bestehender Anbieter, Kooperationen, Zulieferungen, Vermarktungsgemeinschaften oder sonstige gemeinsame Erlösmodelle“ angeführt. Alle diese Maßnahmen sollen „finanziell zur Stärkung der lokalen Angebote beitragen“. Evident steht dieser Passus der Begründung in einem Spannungsverhältnis zu den Geboten der Anbieter- und Programmvielfalt. Die Anbietervielfalt wird z.B. nicht gestärkt, wenn ein Lokalfunkanbieter aufgrund einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung den landesweiten Anbieter beherrschen könnte. Zulieferungen bergen das Risiko, dass die gleichen Inhalte im lokalen und landesweiten Hörfunk verbreitet werden. Ein solcher Gleichklang der Inhalte ist der Programmvielfalt im Sinne des § 14 Abs. 3 LMG regelmäßig abträglich.
Kooperationen, Vermarktungsgemeinschaften oder sonstige gemeinsame Erlösmodelle lassen sich am einfachsten herstellen, wenn sich die ökonomischen Interessen auf beiden Seiten möglichst weitgehend überschneiden. In der Praxis liegt es daher nahe, den Zeitungsunternehmen, die hinter den Lokalfunkanbietern und Radio NRW stehen, zentralen Einfluss auf den landesweiten Hörfunk einzuräumen und einer von ihnen gegründeten Gesellschaft die Übertragungskapazitäten zuzuweisen. Kenner des NRW Hörfunkmarktes sehen in der gewünschten Unterstützung bestehender lokaler Angebote gar eine „Vorprogrammierung“ der Vergabe an eine Gesellschaft der Tageszeitungsverlage.
Die Medienkommission muss sich angesichts der in der Entwurfsbegründung klar formulierten Erwartungen davor hüten, diesen unkritisch entgegenzukommen. Die Medienkommission bleibt aus (verfassungs-)rechtlicher Sicht im konkreten Einzelfall weiterhin verpflichtet, alle gesetzlich vorgegebenen Vorrangkriterien gleichberechtigt zu bewerten und zu gewichten. Dem Kriterium der strukturellen Vielfaltssicherung kommt folglich gegenüber der Programm- und Angebotsvielfalt keinesfalls der Vorrang zu.
Vielleicht sollte man die Medienkommission an das 6. Rundfunkentscheidung des BVerfGE erinnern:
„Die Meinungsvielfalt ist ein sachgerechtes Auswahlkriterium im Sinne der Verfassungsrechtsprechung. Die Rundfunkfreiheit dient der freien und umfassenden Meinungsbildung. Diese kann nur gelingen, wenn der Rundfunk als eine der wichtigsten Informationsquellen und als wesentlicher meinungsbildender Faktor die Pluralität der Meinungen in möglichster Breite und Vollständigkeit berücksichtigt. Macht der Gesetzgeber die Auswahl zwischen mehreren Bewerbern um eine Lizenz von dem Grad der Meinungsvielfalt abhängig, den ihr Programm erwarten läßt, so unterstützt er damit die Annäherung an das Normziel gleichgewichtiger Vielfalt auch im privaten Rundfunk.“
Auch die Stellungnahme des Medienwissenschaftlers Horst Röper von FORMATT-INSTlTUT aus Dortmund ist lesenswert, hier ein Auszug:
Aus der Begründung wird erst erkennbar, woraus ein Beitrag zur „Sicherung eines lokalen Hörfunks“ bestehen könnte. Dort heißt es: „Denkbar sind etwa Angebote oder Beteiligungen bestehender Anbieter, Kooperatoren, Zulieferungen, Vermarktungsgemeinschaften oder sonstige gemeinsame Erlösmodelle, die finanziell zur Stärkung der lokalen Angebote beitragen.“
Auch im Hörfunkbereich sind vielfältige Formen von Kooperationen zwischen Veranstaltern oder auch mit Dritten längst üblich. Insofern ist zu erwarten, dass jeder potentielle Anbieter sein betriebswirtschaftliches Konzept auch auf Kooperationen mit Dritten stützt. Wenn solche Kooperationen an die Bedingung geknüpft werden, dass sie zur „finanziellen Stärkung der lokalen Angebote beitragen“, wird der Kreis potentieller Kooperationspartner stark eingeengt auf die Lokalfunkanbieter und deren Partner Radio NRW.
In der Praxis durfte das bedeuten, dass diesen Beitrag nur jene potentiellen Anbieter leisten können, die das Wohlwollen der Anteilseigner von radio NRW bzw. des Lokalfunks haben. Diese Anteilseigner sind im Wesentlichen die Zeitungsunternehmen in NRW. Es widerspricht wohl nicht der Lebenserfahrung, wenn dieses Wohlwollen der Zeitungsunternehmen am ehesten gegenüber den Zeitungsunternehmen und deren Aktivitäten zu erwarten ist. Für andere Anbieter dürfte es schwierig werden. Aber nicht nur Kooperationen sind möglich.
In der Begründung heißt es darüber hinaus: „Denkbar sind etwa Angebote oder Beteiligungen bestehender Anbieter.“ Wenn die Zeitungsunternehmen in NRW gewichtige Partner oder gar Anteilseigner eines neuen landesweiten Hörfunkanbieters werden, ist das allenfalls in engen Grenzen eine Stärkung der Anbietervielfalt. Auch die publizistische Vielfalt wird nicht gestärkt, denn es wird eben nicht verlangt, „dass der Anbieter eines landesweiten Programms selbst lokale und regionale Inhalte anbietet.“ Wenn diese Inhalte aber von anderen Anbietern übernommen werden, dann ist dies für den liefernden sowie für den übernehmenden Partner betriebswirtschaftlich in der Form besonders lukrativ, bereits erstellte journalistische Leistungen zu nutzen, also Doppelverwertungen anzustreben. Identische journalistische Leistungen über unterschiedliche Frequenzen und Kanäle zu verbreiten, ist keine Stärkung von Vielfalt. Dafür bedarf es originärer Beiträge. Diese wären zu erwarten, wenn im neuen Absatz 5 des § 14 nicht nur von „redaktionellen Strukturen in Nordrhein-Westfalen“ die Rede wäre, sondern von eigenen redaktionellen Strukturen des Anbieters.
Anscheinend wird das 5. Rundfunkentscheidung des BVerfGE vergessen:
„Entweder die privaten Veranstalter stellen sich dem publizistischen Wettbewerb, indem sie sich bemühen, ihrerseits vielseitige und für den Hörer oder Zuschauer interessante Programme anzubieten; dann erfüllen sie ihre ergänzende und bereichernde Funktion im dualen Rundfunksystem, und es bedarf keines Verbots öffentlich-rechtlicher Programme. Oder die privaten Veranstalter sind zu keinem Angebot imstande, das gegen ein konkurrierendes öffentlich-rechtliches Programm zu bestehen vermag; dann kann auch ein gesetzliches Verbot solcher konkurrierender Programme der Freiheit der Meinungsbildung und insbesondere der Rundfunkfreiheit nicht dienen.“
Das Betraf damals den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Heute könnte man fragen, ob die privaten Veranstalter nicht imstande sind gegen ein konkurrierendes Programm zu bestehen, egal ob es öffentlich-rechtlich oder private sind.
Interessant ist auch die Öffnung der Veräußerung der Anbieteranteile. Wenn die Anteile der Kommunen frei veräußert werden können, wird demnächst alles Radio NRW gehören und die Betriebsgesellschaften nur noch auf dem Papier existieren?