Wellensalat bei Nacht auf Mittelwelle in Nordamerika

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DXer
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Wellensalat bei Nacht auf Mittelwelle in Nordamerika

Beitrag von DXer »

Eben stieß ich auf folgende Videos:

https://www.youtube.com/watch?v=M5QyNtZsyDc
https://www.youtube.com/watch?v=R5feFwTDtoc

Außer auf den Clear-Channel-Frequenzen herrscht bei Nacht auf der Mittelwelle in Nordamerika ja ein ziemlicher Wellensalat.
Auffällig finde ich, wie sehr das Mittelwellenband dort noch für Rundfunkübertragungen genutzt wird. Ganz anders als in Europa.
Alqaszar
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Registriert: Fr 31. Aug 2018, 18:26
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Re: Wellensalat bei Nacht auf Mittelwelle in Nordamerika

Beitrag von Alqaszar »

Na ja, ich sag mal so: Immerhin gibt es nachst auf einigen Frequenzen ein vernünftiges Signal. Gegen die Physik der Wellenausbreitung kann auch die beste Koordinierung nichts machen, denn nachts versorgen auch wenige Kilowatt einen ganzen Kontinent auf der Mittelwelle. Aber in Nordamerika hat man diesen Fakt bei der Planung berücksichtigt. Die meisten Stationen müssen nachts abschalten oder die Leistung und/oder das Antennendiagramm verändern. So werden die Reichweiten bei Dunkelheit schon mal erheblich reduziert und Interferferenzen vermindert. Nicht nur die "clear channel" Stationen mit 50 kW, sondern auch schwächere Stationen sind so nachts in ihrem Sendegebiet geschützt. Selbst die zahlreichen "graveyard channels" mit ihren vielen Sendern im 1-kW-Bereich sollten im Umfeld des senders noch ein klares Signal ermöglichen.

Konsequenz daraus ist, dass ein echtes DX eigentlich nicht möglich ist: Nachts geht dann auf einer Frequenz entweder die für den jeweiligen Ort designierte Station gut, oder es herrscht in der Tat Wellensalat.

In Europa, besonders vor der großen Welle der Abchaltungen, war das völlig anders: Es herrschte praktisch bei Dunkelheit auf allen Frequenzen Wellensalat. Selbst Ortssender hatten oft Brabbeln und Zwitschern im HIntergund, weil es garantiert einen anderern Sender auf der gleichen Frequenz gab außer dem gewünschten Signal.

Beispiel: Früher habe ich oft, auch im Auto, BBC auf 648 kHz gehört. Tagsüber hier im Westen Ortssender, war das Signal bei Einbruch der Dunkelheit ungenießbar. Heute kenne ich den Grund: Der "Murski Val" erreicht bei Dämmerung auf derselben Frequenz heute immer noch Ortssenderstärke.

Es gab keinerlei "clear channels", ganz im Gegenteil; man konnte ein Spiel speilen: "Nenne mir eine Mittelwellenfrequenz, und ich nenne die zwei Sender, einer im Westen, einer im Osten, die sich nachts bekämpfen". Ausnahmen waren selten -- die Luxembuerger 1440 hatte wenig Konkurrenz, auch die 846 aus Rom ging immer ganz gut.

Dazu kam, dass der örtliche MIttelwelensender im Extremfall örtlich gar nicht vernünftig zu empfangen war. Die 1593 aus Langenberg ging hier, im UKW-Versorgungsbereich des Senders, nie wirklich Produktiv. Tagsüber war das Signal schwach und verrauascht, und bei Dunkelheit gab es extreme Fadingeinbrücje -- was mir ein Techniker in Langenberg bei einem Besuch 2001 bestätigte. Der 800-kW-Brummer war für die Fernversorgung gedacht. Am besten Empfangen habe ich den einmal im Auto in Italien auf der Rückfahrt von Bibione, wo wir am frühen Morgen aufbebrochen waren und die 1593 mit Bombensignal ankam -- bis bei Tolmezzo Helligkeit und Alpen das Signal verstummen ließen. Rumänien zwitscherte nur sehr leise im Hintergrund...
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sup2a
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Re: Wellensalat bei Nacht auf Mittelwelle in Nordamerika

Beitrag von sup2a »

Wer sich vom nächtlichen Wellensalat in den USA einen Eindruck verschaffen will, kann dies über einen der viele WebSDRs machen.
sdr.hu Es ist schon bemerkenswert, dass die Sender, die tagsüber mit bombigen Signal (und einer in EU unbekannten Klangqualität) ankommen, abends total verflattert sind.,
DXer
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Re: Wellensalat bei Nacht auf Mittelwelle in Nordamerika

Beitrag von DXer »

Wobei der Störpegel bei den meisten KiwiSDRs so hoch ist, dass ich mich frage, warum die überhaupt online gestellt wurden: Ein einziges Rauschen und Kratzen. :rolleyes:
Leider gilt dies insbesondere für einige besonders interessante Standorte bspw. in Russland oder Indien.
Nur sehr wenige KiwiSDRs sind wirklich entstört.
Schade auch, das die alle bei 30 MHz enden.
PAM
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Re: Wellensalat bei Nacht auf Mittelwelle in Nordamerika

Beitrag von PAM »

Alqaszar hat geschrieben: Mo 11. Feb 2019, 20:23 [...]
Dazu kam, dass der örtliche MIttelwelensender im Extremfall örtlich gar nicht vernünftig zu empfangen war. [...]
Vielfach waren die Antennenanlagen so ausgelegt, dass sie als so genannte Steilstrahler die Energie gebündelt in die reflexionsfähige(n) Schicht(e) der Erdatmosphäre abstrahlten. Die Reichweite der Bodenwelle ist frequenzabhängig, zudem starker Dämpfung unterworfen. Was über die Bodenwelle einigermaßen weit raus kam, das hatte ausnahmslos "Eier".
:sozusagen:
🎧📺📻📡
wasat
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Re: Wellensalat bei Nacht auf Mittelwelle in Nordamerika

Beitrag von wasat »

Ein großen Durcheinander gibt es eigentlich nur zwischen 1230 bis 1490 kHz, wo nur Lokalsender erlaubt sind. Besonders arg ist es auf den "Graveyard Channels" (Friedhof-Kanäle, weil dort nichts gut zu hören ist, also für DXer quasi tot) 1230, 1240, 1340, 1400, 1450, 1490 kHz. Auf jedem dieser Kanäle sind über 160 Stationen mit üblicherweise tagsüber 1 kW und nachts max. 250 Watt. Damit es nicht zu arg wird, müssen die meisten Stationen die Leistung nachts weiter reduzieren, teilweise auf wenige Watt. Die Station hört man dann noch in einem Radius von vielleicht 2 km um den Sender.

Ich habe nach zahlreichen beruflichen Aufenthalten in den USA meine Beobachtungen zur US-Mittelwelle einmal zusammengestellt: http://www.wabweb.net/radio/radio/usa2.htm
Ist zwar schon 10 Jahre alt, aber großteils noch aktuell, weil sich auf der MW in den USA eigentlich kaum mehr etwas verändert.
DXer
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Registriert: Mo 10. Sep 2018, 11:48

Re: Wellensalat bei Nacht auf Mittelwelle in Nordamerika

Beitrag von DXer »

Danke für den interessanten Link! :spos:
Jens1978
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Re: Wellensalat bei Nacht auf Mittelwelle in Nordamerika

Beitrag von Jens1978 »

Stimmt, wirklich gute Seite mit schönen Mitschnitten, wasat :spos:
Den Wellensalat hört man ja auch gut hier in Europa sehr schön, wenn die Bedingungen gut sind, denn sowas hier ist doch typisch http://www.wabweb.net/radio/us_sounds/Mixed1.mp3 Früher dachte ich immer, das die Empfangsantenne einfach besser sein müsste, bis ich dann merkte das der Wellensalat ja quasi das Empfangssignal als solches ist, nun ja.
QTH: Bremer Umland
DXer
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Re: Wellensalat bei Nacht auf Mittelwelle in Nordamerika

Beitrag von DXer »

In Europa lohnt sich das DXen auf Mittelwelle immer mehr.
Jetzt müssten nur noch die zahlreichen Briten, Spanier und Rumänen abschalten, dann wird es wirklich interessant.
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