Moderator Thomas Koschwitz im Interview von Radioszene

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dab_4
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Moderator Thomas Koschwitz im Interview von Radioszene

Beitrag von dab_4 »

Aus diesem Interview kann man - sofern man sich das ohnehin nicht schon längst zusammengereimt hat - schlussfolgern, was die Ursache für die Einheitsbreimusik bei den meisten Privatradios in Deutschland ist (ich formuliere das mal mit meinen Worten):

Für die Werbung ist die Anzahl der Hörer wichtig, und die Angst, welche zu verlieren, weil man bspw. bei der Musikauswahl etwas falsch machte, führt letztendlich dazu, dass fast überall die gleiche Musik gespielt wird.
Klaus
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Re: Moderator Thomas Koschwitz im Interview von Radioszene

Beitrag von Klaus »

Weshalb klappt das denn in Frankreich? Dort gibt es viele Privatsender, die eine Nische bedienen, z.B. Nova, Latina, Jazz Radio. Alle diese leben von Werbung.

Und der öffentlich rechtliche Rundfunk sollte eigentlich nicht nach Quoten schielen.
iro
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Re: Moderator Thomas Koschwitz im Interview von Radioszene

Beitrag von iro »

Klaus hat geschrieben: Fr 12. Okt 2018, 15:12 Weshalb klappt das denn in Frankreich? Dort gibt es viele Privatsender, die eine Nische bedienen, z.B. Nova, Latina, Jazz Radio. Alle diese leben von Werbung.

Und der öffentlich rechtliche Rundfunk sollte eigentlich nicht nach Quoten schielen.
Weil die Franzosen eine ganz andere Radio-Sozialisation haben. Dort funktioniert sogar WORT. Wikipedia beschreibt das so:
Die Hörfunkrezeption in Frankreich und damit auch Einschaltquotenstruktur nach Formaten ist mit der Situation in Deutschland nicht vergleichbar. In Frankreich hat zunächst das Wort einen höheren Anteil an der Hörfunknachfrage als in Deutschland, entsprechend die Musik einen geringeren. Des Weiteren ist die Hörfunknachfrage insgesamt, also Wort- und Musikprogramme kombiniert, höher als in Deutschland.

Dementsprechend sind die sogenannten radios généralistes, die landesweit senden, die meistgehörten Sender. Darunter befinden sich mit RTL, RMC und Europe 1 sowohl kommerzielle als auch mit France Inter und France Info öffentlich-rechtliche Anbieter. Diese Sender können alle auf Langwelle landesweit auf derselben Frequenz gehört werden, mit Ausnahme von France Info, das auf verschiedenen Mittelwellenfrequenzen sendet. Alle verfügen darüber hinaus über ein weitgehend flächendeckendes UKW-Netz, mit Ausnahme von RMC, das in den nördlichen Regionen nicht auf UKW sendet (in Paris aber durchaus).

Die kommerziellen généralistes haben ihren Ursprung in einer Zeit, als die Veranstaltung kommerziellen Hörfunks in Frankreich noch nicht genehmigungsfähig war; die Langwellen-Sendeanlagen befanden sich stets im Ausland, der von RMC in Monaco, der von RTL in Luxemburg und der von Europe 1 in der Bundesrepublik Deutschland. Dieses Ausweichverhalten ist ursächlich dafür, dass der Langwellenempfang in Frankreich nach wie vor eine große Popularität genießt, was sich zum Beispiel in der Tatsache niederschlägt, dass französische Automobile in der Regel so konstruiert sind, dass alle Funktionseinheiten langwellenentstört sind.

Die radios généralistes sind mit dem deutschen Begriff „Vollprogramm“ nur unzureichend beschrieben, weil ihr Programmschema stark von dem abweicht, was im deutschsprachigen Raum üblich ist. Ein Großteil des Programms besteht aus Talk-Sendungen beziehungsweise Sendungen mit Hörerbeteiligung (Call-In-Sendungen). Nachrichten, Hintergrundsendungen, Interviews, Comedy- und Spielshows nehmen ebenfalls breiten Raum ein. Auffällig sind die Einschaltquoten: Obwohl ihr Programm für deutsche Hörgewohnheiten eher „dröge“ wirkt (wortlastig, mit langatmigen O-Tönen, früher in Telefonqualität) sind die radios généralistes populärer als die Musik-Sender. Vergleichbare Sender, die ebenfalls sehr erfolgreich sind, gibt es dagegen in Spanien und den USA. Das radio généraliste des öffentlich-rechtlichen Senderverbundes Radio France ist das seit 1963 ausgestrahlte France Inter. Daneben entstanden nach 1945 eine Reihe weiterer radios généralistes.
weiter in der wikipedia.

Die Franzosen ticken also komplett anders als die Deutschen. Drum funktionieren dort auch Sachen, die hierzulande keine Überlebenschance hätten.

Dazu kommt: selbst wenn man ein gutes Programm macht und sogar Hörer hat, muss man erstmal Zugang zu den lukrativen Werbeaufträgen bekommen. Das ist für manche Sender in Deutschland schwerer als für andere, da sie einfach nicht an den wenigen "Türstehern" vorbeikommen. Will man eigene Werbekunden, an den Agenturen vorbei, muss man dafür auch erstmal viel Geld in die Hand nehmen - die Kunden kommen selten von sich aus zum Sender.
Möglicherweise ist diese Situation in Frankreich auch eine andere.
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Re: Moderator Thomas Koschwitz im Interview von Radioszene

Beitrag von _Yoshi_ »

dab_4 hat geschrieben: Fr 12. Okt 2018, 12:35
Für die Werbung ist die Anzahl der Hörer wichtig, und die Angst, welche zu verlieren, weil man bspw. bei der Musikauswahl etwas falsch machte, führt letztendlich dazu, dass fast überall die gleiche Musik gespielt wird.
Das hatte ich schon seit längeren vermutet.
Dabei hatte ich sogar gedacht das die Werbekunden dem Sender vorschreiben welche Musik gespielt werden soll und wie oft.
Aber mittlerweile sind die Hörerzahlen eh auf dem Sinkflug da es genug alternativen im Internet gibt und auch die Mobilfunker mit passenden Tarifen daherkommen wo man auch Mobil Streamen kann ohne am Monatsende eine Hammerrechnung zu haben.
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Re: Moderator Thomas Koschwitz im Interview von Radioszene

Beitrag von iro »

_Yoshi_ hat geschrieben: Dabei hatte ich sogar gedacht das die Werbekunden dem Sender vorschreiben welche Musik gespielt werden soll und wie oft.
Mir kommt es ja eher vor, als ob bereits die Musik selber eine von Plattenlabels bezahlte Werbung ist... :undweg:
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Re: Moderator Thomas Koschwitz im Interview von Radioszene

Beitrag von _Yoshi_ »

So wie ich aus dem Artikel vom Koschwitz herauslese hat die Werbequote zu dem Dudelfunk geführt.
Die Werbekunden wollten immer wissen wo sie ihr Geld am besten anlegen.(Natürlich bei den Sender mit den meissten Hörern)
So nach und nach haben dann die anderen Privaten das "Dudelfunk Format" übernommen weil die hier eine Quotensteigerung darin sehen.
(Als Aktuelles beispiel sei mal "Wir Bezahlen eure Rechnung" genannt was auf vielen Privaten zur zeit läuft.)
Aus diesen grund hören sich fast alle Privaten Radiostationen fast gleich an.
Also haben die Werbekunden das Medium Radio durch ihre Quotengeilheit zu dem gemacht was es heute ist also der perfekte Dudelfunk. :sneg:
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Re: Moderator Thomas Koschwitz im Interview von Radioszene

Beitrag von iro »

Dann müssten ja jetzt die Dudelfunkzeiten vorbei sein, da die Werbekunden ja gar nicht mehr vorrangig Quote haben wollen, sondern Zielgruppe einkaufen.
Das Dumme ist nur, daß Heavy Metal, Schlager und Jazz nur eine musikalische Zielgruppe darstellen, die aber gesellschaftlich gesehen keineswegs homogen ist (möglicherweise kann man bei Jazz eine Ausnahme machen, da diese Art Musik eher von Bildungsbürgern, vorzugsweise auch noch "gutsituiert", verstanden wird). Bei den meisten anderen Musiksparten kann man auch nicht mehr auf die gesellschaftliche Position zurückschließen.
Am liebsten möchte der Werbetreibende ja z.B. 45-48 jährige Lehrer oder 25-35 jährige Frauen mit 1-2 Kindern ohne Streuverluste erreichen und ihnen ein Spiegel-abo oder Windel-Großpackungen verkaufen. Bei der Schaltung im teuren Dudelfunk betrüge der Streuverlust bei diesen beiden Beispielen jeweils >90%, die aber beim TKP des jeweiligen Senders trotzdem mitbezahlt werden müssen. Beim Jazzsender würde der Streuverlust bei insgesamt weniger Hörern und niedrigerem TKP im Falle des Spiegel-Abos dann vielleicht nur 10% betragen, das Geld ist dort also viel besser investiert.
Aber wie gesagt: bei den meisten Musiksparten würde das heutzutage nicht mehr funktionieren.
dab_4
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Re: Moderator Thomas Koschwitz im Interview von Radioszene

Beitrag von dab_4 »

iro hat geschrieben: So 14. Okt 2018, 19:15 Beim Jazzsender würde der Streuverlust bei insgesamt weniger Hörern und niedrigerem TKP im Falle des Spiegel-Abos dann vielleicht nur 10% betragen, das Geld ist dort also viel besser investiert.
Interessante Überlegungen. Allerdings: Vermutlich interessieren diejenigen, die Werbung beauftragen, nicht die zu erwartenden prozentualen Streuverluste, sondern die zu erwartenden absoluten Gewinne, denn: Sonst gäb's ja Privatradio mit dem Schwerpunkt Jazz, oder?
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Re: Moderator Thomas Koschwitz im Interview von Radioszene

Beitrag von iro »

dab_4 hat geschrieben: Mi 24. Okt 2018, 12:17Sonst gäb's ja Privatradio mit dem Schwerpunkt Jazz, oder?
Das gibt es ja auch tatsächlich, wenn auch nur in Berlin.
Wenn man dafür jetzt mal ein kaufkräftiges Premium-Publikum als Hörerschaft annimmt, das (nur) mit Werbung für Premium-Produkte bespielt werden soll, wird der Kreis der potentiellen Werbekunden natürlich auch kleiner. Das scheint in Berlin zu funktionieren, da dort viele Menschen wohnen, die mit nur einem Transmitter erreicht werden. Woanders jedoch nicht oder erst bei geringeren Betriebskosten.
Allerdings: Vermutlich interessieren diejenigen, die Werbung beauftragen, nicht die zu erwartenden prozentualen Streuverluste,
Nichts interessiert Werbetreibende mehr, als das Erreichen eine möglichst genau definierbaren Zielgruppe. Darum verkaufen auch alle Printmagazine die Adressen ihrer Abbonnenten an Werbetreibende, die Adresse eines Spiegel- oder Stern-Lesers ist für zielgruppengerechte Werbung in bestimmten Produktsegmenten deutlich wertvoller als die eines Bilddzeitungslesers.
Mit Musikformaten ist das allerdings schwierig, mit Jazz mag das noch funktionieren, auch mit Klassik. Mit allem anderen eher nicht. Möglicherweise kann man damit dem Werbekunden wohl noch eine Altersgruppe verkaufen, aber ohne soziale Schichtung.
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