Dudelsack hat geschrieben: ↑Fr 7. Jun 2019, 11:18
In diesem Thema geht es darum, welche Sender sich zufälligerweise die gleichen Jingles ausgesucht haben. Wie man sieht, ist das gar nicht mal so selten.
Mit Zufall hat das nichts zu tun.
Ich glaube, du verstehst da ein paar Kleinigkeiten falsch. ^^
Es gibt im Grunde 2 Möglichkeiten, wie ein Sender an ein neues Jinglepaket kommt.
Entweder er lässt es komplett neu nach seinen Vorgaben produzieren oder er nutzt ein bereits vorhandenes Paket und lässt es für seine Bedürfnisse anpassen.
Zuerst wird ein Briefing für die Jingle Company erstellt. Darin steht, wie die Jingles klingen sollen, welcher musikalische Style, was vermittelt werden soll, welche und wieviele Elemente produziert werden sollen. Soll der Sendername (kurz: die ID) gesungen werden? Solostimmen oder Chor, männlich oder weiblich? Soll auch der Claim gesungen werden? Dazu noch jede Menge weitere Details, die ich mir hier erspare, u.a. das Sendegebiet des Programms, die Zusammensetzung der Hörer, welche Altersgruppe, Musikformat, Key Artists und und und. Mehrseitig und ausführlich.
Dann sucht man sich entweder eine Jingle Company, mit der man bereits gearbeitet hat und zufrieden war und gibt die Produktion in Auftrag. Oder man schickt das Briefing an mehrere Firmen (ein sogenannter Pitch) und lässt sich ein Angebot machen. Dabei gewinnt tatsächlich nicht immer die Firma, die am billigsten ist, sondern die, die die Wüsche des Senders am besten versteht und umsetzt. Um das herauszufinden, finden vertiefende Telefongespräche mit den Komponisten statt. Laaange Gespräche...
Am Ende hat man also seinen Favoriten gefunden. Nun geht es an die Produktion, in enger Abstimmung mit dem Jingle-Komponisten, dem Programmdirektor und dem Produktionschef bzw. der Produktionsabteilung des Senders. Der Komponist schickt Vorschläge in Form von Demoversionen. Meistens ist dort noch kein Gesang zu hören, sondern nur das musikalische Gerüst. Manche Komponisten bieten auch Demos mit Gesang an, damit man sich das Element besser vorstellen kann, allerdings sind das dann sog. Layoutgesänge, meist vom Komponisten selbst schnell draufgesungen. Diese Layouts werden später durch die 'richtigen' Gesänge ersetzt. Anhand der Demos legt man zusammen fest, ob etwas geändert werden soll: z.B. eine andere Gitarre, der Synthesizersound soll härter oder weicher sein, die Transition weicher/härter/anders, zu Beginn statt des Schlagzeugs lieber ein elektronischer Effekt usw.
Ebenfalls wird geschaut, wie man aus einem Element den größten Mehrwert für das Programm herausholen kann. Die Basis bildet immer ein längeres Jingle. Davon macht man dann Mixouts, also weitere Mischvarianten mit und ohne Gesänge, kurze ID-Jingles und ganz kurze Shotguns oder Rapids.
So wird jedes einzelne Element besprochen und abgestimmt. Der Komponist ändert und schickt neue Demos. Dann wieder anhören, entscheiden, ändern oder freigeben.
Sind die instrumentalen Gerüste fertig und freigegeben, werden die Gesänge aufgenommen. Bei einem großen Paket kann das schon mal 2 Tage dauern.
Auch die Gesänge werden vom Sender daraufhin gecheckt, ob alles korrekt betont wurde, an der richtigen Stelle sitzt, alles gut gecuttet wurde, die Mischung gefällt etc.
Dann kommt die Endmischung inklusive aller Mixouts und die Auslieferung an den Sender; früher auf Tonband, später auf DAT/CD, inzwischen oft als wav/aif-Dateien per Dropbox oder ftp-Server.
Insgesamt ist das ein ziemlicher Aufwand. Am Ende hast du ein Paket ganz exakt nach deinen Vorstellungen, kein Wunsch bleibt offen, alles ist haargenau so, wie du es wolltest. Dafür zahlst du entsprechend viel Geld und investierst nebenbei auch eine Menge Zeit und Nerven während der Entwicklung (je nach Company mehr oder weniger).
Das möchte oder kann sich nicht jede Station leisten. Deshalb bieten die Jinglefirmen oft an, bestimmte, bereits produzierte Pakete, zu lizenzieren. Dabei werden die Grundgerüste behalten, bei Bedarf an das Audiologo des anderen Senders angepasst und neu besungen. Da die komplette Entwicklung und Komposition entfällt, können diese Pakete viel günstiger erworben werden. Der Sender, der solche Re-Sung Jingles kauft, hat dann zwar kaum noch Möglichkeiten zur Individualisierung der Elemente, aber für einen niedrigeren Preis nimmt man das meist in Kauf.
Welche Pakete zur Verfügung stehen, entscheidet die Jingle Company. Dabei spielen Dinge wie Gebietsschutz eine Rolle, d.h. Bayern 3 wird sicher nicht das Paket von Antenne Bayern bekommen, wenn sie es denn wollten. ^^ Gelegentlich können neue Pakete auch erst nach Ablauf von 2 oder 3 Jahren von anderen Sendern genutzt werden. Der Auftraggeber kann aber auch komplett ausschließen, dass seine Jingles später von anderen genutzt werden dürfen. Die BBC tut das z.B. seit ein paar Jahren - deren Pakete sind für andere Sender nicht erhältlich. Dafür zahlt die BBC entsprechend mehr Geld für ihre Pakete und garantiert sich dadurch einen dauerhaften Gebietsschutz.
Es kommt übrigens nahezu nie vor, dass ein Jingleproduzent erst das Paket produziert und dann einen Rundbrief an die Sender schickt, ob das jemand haben möchte. ^^
Maximal für Webradios bieten manche Jinglefirmen inzwischen sehr günstig ein oder zwei Standardpakete an, die neu besungen werden können und so modular aufgebaut sind, dass fast jeder Sendername damit funktioniert.
Ich hoffe, der kleine Vortrag hat etwas Licht ins Dunkel gebracht...
Schöne Restpfingsten!