Geht mir nicht anders. Ich kann das phantastische Hallenbad (8 Bahnen je 50 Meter, separates Sprungbecken 4,20 m tief mit Sprunganlage bis 5 Meter, separates Freizeitbad) meiner Heimatstadt nicht besuchen, weil da Beschallung läuft - genau wie Reinhard Mey es beschreibt ("zu leise, um sie richtig zu hören, aber grad laut genug, um mich richtig zu stören"). Entweder Antenne Thüringen, Landeswelle Thüringen oder Jump. Bei 50-Meter-Bahnen schaffe ich es nicht, komplett durchzutauchen, um mir diesen Müll nicht antun zu müssen. Schlimmer als Musik sind dann aber fast noch die Nachrichten: ein Verpackungsgedonner, dass man glaubt, die Kriegsberichterstattung geht los, dann völlig verbogene, dröhnende Stimmen - die man aber inhaltlich nicht versteht.
Dazu kommt, dass mein Hirn die Eigenschaft hat, bei nicht voll verständlicher Musik mit "Vervollständigen" zu beginnen, es baut also die Musik im Kopf so gut wie möglich vollständig auf, wenn es den laufenden Titel prinzipiell kennt. Das führt dazu, dass ich seit vielen Jahren ohne MP3-Player Bahn fahre und auf dem Smartphone kein einziger Musiktitel lagert - brauche ich nicht, wenn ich unterwegs was hören will, muss ich mich nur daran erinnern und dann kann ichs mir lautlos im Kopf "abspielen".
Bei dem Industrieabfall, der heute im Popradio als "Musik" begriffen wird, kennt sich mein Hirn aber nicht aus, da ich freiwillig ja so etwas nicht höre und also auch nicht kenne - das macht es dann sehr anstrengend, das Hirn greift "ins Leere".
Was haben mein bester Freund (kam immer aus der Nachbarstadt zum Schwimmen rüber) und ich da gekämpft. Haben uns abweisen lassen mit unserer Bitte nach "Beschallung aus", haben und verhöhnen lassen müssen ("Wo arbeiten Sie denn? In der Leichenhalle?" fragte der Schwimmmeister meinen besten Freund, einen promovierten Physiker, der als Entwickler bei einem internationalen HighTech-Konzern arbeitet), wurde die Kreativität erfolglos gefordert. Der ELV SUP1, auf die 3 bekannten terrestrischen Frequenzen der Dudler programmiert und in ein Handtuch gewickelt neben der Schwimmeisterbude platziert, konnte auch nichts wegdrücken - entweder Kabelanschluss oder Außenantenne (die Halle ist Stahlskelettbau) oder vielleicht sogar Stream.
Als dann einmal - ich zitterte schon am ganzen Körper vor Wut, weil es wieder unerträglich war - so eine Heulboje auf Landeswelle Thüringen mit Schreien anfing (es klang wie das Signal für Atom- und Luftalarm), bin ich aus dem Becken, nochmal zum Personal, holte mir die letzte Abfuhr und verließ das Bad dann halt nach nur wenigen Minuten. Ich stand dann draußen eine Stunde zitternd auf der nahen Brücke über den Fluss in der abendlichen Stille, bis mein Freund dann auch aus der Halle kam (er ist nicht so dünnhäutig wie ich bzw. er erträgt Demütigungen leichter, er schwamm noch zuende). Das ist jetzt vielleicht 6 Jahre her - seitdem hat das Bad halt 2 regelmäßige Gäste weniger.
Ich gehe halt in Berlin im FEZ schwimmen. Auch acht 50-Meter-Bahnen. Wenn man weiß, wann man gehen kann, ists angenehm leer, billiger als in meiner Heimatstadt und beschallungsfrei. Es sei denn, eine Seniorengruppe hat Aquagymnastik. Dann geht es auch da los - Ghettoblaster am Beckenrand, "Daddy cool" und sowas. Ist mir aber zum Glück nur selten passiert.
Unvergessen auch, wie ich eine Familienfeier verließ, weil in der Gaststätte Radio dudelte - direkt aus dem Lautsprecher hinter mir. Ich kann bei sowas radikal konseuqent sein.
Noch ein Lied von Reinhard Mey mit Radiobezug:
https://www.youtube.com/watch?v=nqV2ExucNbA
Wird leider seit einigen Jahren durch gewisse Kreise missbraucht. Nicht das einzige Lied von Mey, dem es so geht.