Steirischer Funzelreport (1)

Radioforum Österreich
Wasat

Steirischer Funzelreport (1)

Beitrag von Wasat »

Neulich machte ich eine Wanderung auf die Vordergoferalm bei Admont in der Steiermark. Dort oben sollen nämlich 2 Sendeanlagen stehen, von denen man aber nichts sieht und hört.

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Die Vordergoferalm (roter Kreis) liegt südlich des Eingangs zum Gesäuse, dem größten Durchbruchtal der Ostalpen.

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Über eine streckenweise ziemlich abenteuerliche (durch Gerölllawinen verschüttet, Kühlschrank große Felsbrocken am Weg) Forststraße gelangt man auf die ehemalige Alm.

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Oben angekommen steht man plötzlich vor einer netten TV-Sendeanlage.

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Sie wurde einst von der Gemeinde Weng errichtet, um die etwa 50 (!) Bewohner des Ortes Gstatterboden mit TV zu versorgen (ORF1&2 auf Kanal E8&E12 mit je 17,6 Watt). Heute ist die Anlage außer Betrieb, weil man in Gstatterboden auf DVB-S umgestiegen ist.

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Dem entsprechend wird Anlage nicht mehr gepflegt und verfällt langsam. Die Ballempfangsantennen (Richtung Salberg bei Selzthal) wurden durch die immer höher wachsenden Bäume bei Sturm schon geknickt.

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Blick hinunter nach Gstatterboden.

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Etwa 200 m weiter nördlich steht aber eine noch viel seltsamere, geradezu einzigartige Sendeanlage. Manches ist hier aber auch aus anderen Gründen seltsam, was Zweifel aufkommen lässt, dass es sich tatsächlich um eine Rundfunksendeanlage handelt.
Der Standort ist generell problematisch, weil man mit einem Fahrzeug schon schwer auf die Alm hinauf kommt, und dann nur bis in die Nähe der ehemaligen TV-Anlage. Dort gäbe es übrigens auch Strom, abgegriffen von einer Hochspannungsleitung, die nach Johnsbach führt. Doch (angebliche) "Antenne Steiermark"-Anlage liegt noch einmal 200 m entfernt und 50 m höher. Dorthin kommt man nur über einen schmalen Jagdsteig. Bleibt zur Wartung und Versorung somit nur der teure Hubschrauber.

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Von hier sollte eigentlich "Antenne Steiermark" auf 106,8 MHz senden - netzautark mit Solarstrom. Die Standortangaben stimmen exakt mit den genehmigten Daten der RTR überein, doch man hört kein Signal. Angeblich ist der Standort noch gar nicht in Betrieb gegangen.

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Wäre es ein UKW-Rundfunksender von "Antenne Steiermark", müsste die Signalzuführung vom Sonnenberg bei Rottenmann aus erfolgen. Die Empfangsantenne ist aber eine Band III-Antenne, die dann "vertikal polarisiert" montiert für UKW horizontal benützt werden würde. Die Sendeantenne ist auch entgegen der RTR-Genehmigung vertikal polarisiert angebracht.

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Ebenfalls merkwürdig: Wenn es der Sender von "Antenne Steiermark" wäre, würde (mit 33 Watt) leicht gerichtet in das Johnsbachtal, wo nur 150 Leute auf 80 km² leben, gesendet werden. Das Hauptversorgungsgebiet (mit rund 5000 Leuten) wäre aber das weite Ennstal östlich von Admont, wo der Sonnenberg nur schlecht empfangbar ist.
Handelt es sich daher wirklich um die - gegenwärtig nicht funktionierende - Sendeanlage von "Antenne Steiermark"? Oder ist es ein Relais der Feuerwehr? Deren Funknetz arbeitet nämlich sowohl im 170 MHz- als auch im 80 MHz-Bereich. Dem enstpechend würde die Antennenanordnung mehr Sinn machen als für einen UKW-Rundfunkumsetzer.

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Blick vom Senderstandort Richtung Westen in das Ennstal.

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Blick vom Senderstandort Richtung Osten zur Berggruppe Planspitze, Hochtor (2369 m) und Gr. Ödstein.
Rolf, der Frequenzenfänger

Re: Steirischer Funzelreport (1)

Beitrag von Rolf, der Frequenzenfänger »

Interessanter Bericht. Danke! Schade, dass der TV-Umsetzer nicht mehr gepflegt wird. Die solarstromgespeiste UKW-Funzel ist ein echtes Kultobjekt!
Jassy

Re: Steirischer Funzelreport (1)

Beitrag von Jassy »

Wauw, sehr schöne Bilder Wasat!

Das Gebiet sieht echt wunderschön aus dort! Vielleicht mal ein Urlaubstipp für uns? :D
DX-Project-Graz

Re: Steirischer Funzelreport (1)

Beitrag von DX-Project-Graz »

Wie immer tolle Bilder, sehr beeindruckend sogar!
Diese Solarstromfunzel wird wohl in dem Sommer selten funktionieren... :D
andimik

Re: Steirischer Funzelreport (1)

Beitrag von andimik »

Hab ich richtig verstanden, dass Antenne Stmk ein Seitental für 150 Personen versorgt?
PeterSchwarz

Re: Steirischer Funzelreport (1)

Beitrag von PeterSchwarz »

Photovoltaikanlagen funktionieren normal auch bei bewölktem Himmel. An trüben Nebeltagen (hier eher: Berge in Wolken) kann es aber sicher schon Ausfälle geben. Das PRoblem dürfte sein, daß nach einem kurzen Ausfall, die Anlage nicht mehr von alleine hochfährt. Da müsste dann wohl schon einer vorbeigucken und das ganze wieder in Betrieb nehmen. Das ist eben das Problem an solchen Standorten ohne Infrastruktur. Kennt man ja noch von Schwarzenstein und Co.

Vertikale Polarisation hab ich in AUT auch schon bei dr 88.9 in Scheffau gesehen. Auch eine sehr kultige Funzel. Und auch dort zeigt der Dipol in die "falsche" Richtung. Allerdings hat man ja annähernd Rundstrahlung. Die Reflektorwirkung des Mastens kann man im Hochgebirge eigentlich vernachlässigen. Da wird eh alles von überallher mehrfach refelktiert.
Wasat

Re: Steirischer Funzelreport (1)

Beitrag von Wasat »

Mir sind an der "Antenne Steiermark"-Funzel Zweifel gekommen. Ich habe daher den obigen Bereicht auch etwas umgeschrieben.

Handelt es sich daher wirklich um die - gegenwärtig nicht funktionierende - Sendeanlage von "Antenne Steiermark"? Oder ist es eher ein Relais der Feuerwehr? Deren Funknetz arbeitet nämlich sowohl im 170 MHz- als auch im 80 MHz-Bereich. Dafür würde die Antennenanordung mehr Sinn machen als für einen UKW-Rundfunkumsetzer.
PeterSchwarz

Re: Steirischer Funzelreport (1)

Beitrag von PeterSchwarz »

Ja, das ergibt Sinn. Man plante dann wohl, für die Antenne diese Infrastruktur zu nutzen, aber vermutlich ist denen das auch zu unsicher.
Wasat

Re: Steirischer Funzelreport (1)

Beitrag von Wasat »

David Gruber ist bei "Radio Freequenns" in Liezen für die Sendetechnik zuständig. Er erkundet auch neue Sendestandorten für seine Station. Dabei kam er auch auf die Vordergoferalm, bestätigte meine oben genannten Mußmaßungen und stellte mir nachfolgende Bilder dankenswerterweise zur Verfügung. Sie entstanden diesen Sommer, als die TV-Sendestation der Gemeinde Weng endgültig abgestellt wurde.

"Radio Freequenns" hofft, die Lizenz um 10 Jahre verlängert zu bekommen. Wenn dies erfolgen sollte, möchte man den bisherigen (einzigen) Hauptstandort verlegen und um einige weitere Standorte ergänzen, um so das gesamte steirische Ennstal zwischen dem Gesäuse und Schladming versorgen zu können. Dies war auch schon immer in den einschlägigen Planungen so vorgesehen. Ein solcher Standort wäre die Vordergoferalm, da hier bereits die nötige Infrastruktur vorhanden ist und die Gemeinde Weng als Eigentümer andernfalls die jetzt unnötige Anlage abtragen müsste. Allerdings würde auch "Antenne Steiermark" den (auch schon genehmigten) Standort gerne nutzen, scheiterte bisher aber an der Signalzuführung. Vom Sender Sonnenberg bei Rottenmann ist nämlich kein ausreichender Ballempfang möglich und einen auch schon vorgesehenen Standort am Salberg bei Selzthal möchte man sich offenbar nicht leisten (zu hohe Mieten bei ORS und PTA dort).

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Seit 1993 führt eine 30kV-Leitung nahe der Sendeanlage hinüber nach Johnsbach. Man zapfte hier die paar Watt für die Funzel ab. Zuvor wurde die Anlage - wie das Feuerwehrrelais weiter oben - mit Solarstrom versorgt.

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Netzteil mit Reserve.

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Die Ballempfänger und Sender. Sieht alles nicht sehr alt aus, da die Anlage wie fast alle etwa 100 gemeindeeigenen Sendeanlagen in Österreich auch erst so Mitte der 1980er errichtet wurde. Empfangen wurde vom ORS-Sender Salberg bei Selzthal (ORF1 E5, ORF2 E32), gesendet wurde mit jeweils etwa 2 Watt Senderausgangsleistung (17,6 Watt ERP an der Antenne) auf E8 (ORF1) und E10 (ORF2). Ursprünglich kam ORF2 auf E12, musste aber wegen der nicht realiserten DAB-Planung auf E10 umgestellt werden.

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Über eine Kanalweiche geht es zur gemeinsamen Sendeantenne.

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Die Kabelführung ist etwas abenteuerlich.

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Die bisherige - sturmgeschädigte - Antennenbestückung. Man wird sie wohl bald durch UKW-Antennen ersetzen.
Mainspitzdreieck

Re: Steirischer Funzelreport (1)

Beitrag von Mainspitzdreieck »

Für den Standort Vordergoferalm sind ja insgesamt 5 UKW-Frequenzen koordiniert (89.8, 95.8, 99.5 und 103.0 MHz horizontal, rund, mit je 20 W) und halt auch die 106.8 MHz, horizontal mit 33 W für Antenne Steiermark in die Richtungen 40°-90° und 270°-320°. Es bleibt also abzuwarten, ob man die Stromversorgung und den Ballempfang in den Griff bekommt, ein prima Senderstandort für das Ennstal ist die Alm allemal.
Die Bilder sind wirklich 1a, Wasat hat wohl die Begabung zum Profi-Fotograf ! Da kommen gleich richtige Urlaubsgefühle auf.
ts01

Re: Steirischer Funzelreport (1)

Beitrag von ts01 »

Ist die Kanalweiche von unserem RFT aus der DDR? War mir bisher nicht bekannt, dass man auch sowas exportiert hat.
orf-fan

Re: Steirischer Funzelreport (1)

Beitrag von orf-fan »


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Die Ballempfänger und Sender. Sieht alles nicht sehr alt aus, da die Anlage wie fast alle etwa 100 gemeindeeigenen Sendeanlagen in Österreich auch erst so Mitte der 1980er errichtet wurde.

1 mal bearbeitet. Zuletzt am 13.08.07 21:58 durch Wasat.

mitte der 80er, so spät erst? dass heisst man konnte bis mitte der 80er überall dort KEIN FERNSEHEN empfangen? mitte der 80er gabs doch schon SAT und es war absehbar dass es sehr schnell auch für den endverbraucher bezahlbar wird. warum erichtet man dann mitte der 80er noch überall in österreich solche anlagen, dass wäre ja in den 70ern sinnvoller gewesen.
Wasat

Re: Steirischer Funzelreport (1)

Beitrag von Wasat »

mitte der 80er, so spät erst?
Ja, in der ORF-Sendertabelle von 1981 gibt es noch keine einzige Gemeindeeigene Sendeanlage.
dass heisst man konnte bis mitte der 80er überall dort KEIN FERNSEHEN empfangen?
In vielen Häusern im Gebirge ist es heute noch so, dass ohne Satellit nichts ginge.
mitte der 80er gabs doch schon SAT und es war absehbar dass es sehr schnell auch für den endverbraucher bezahlbar wird
Bis zur Aufschaltung von RTLplus, Sat1 und Pro7 auf ASTRA 1A im Dezember 1989 war es überhaupt nicht abzusehen, das sich das Satellitenfernsehen in der breiten Masse so rasch verbreiten würde.

Der ORF hatte zudem immer Probleme mit den Lizenzgebühren zugekaufter Sendungen, da man diese Gebühren nicht für den gesamten deutschen Sprachraum zahlen will. Man hat daher lange auf eine Austrahlung via Satellit verzichtet und nutzt heute diese Möglichkeit nur in verschlüsselter Form mit exklusivem Bezugsrecht für Österreicher.
warum erichtet man dann mitte der 80er noch überall in österreich solche anlagen, dass wäre ja in den 70ern sinnvoller gewesen.
In den 1970ern war auch das ORF-Sendernetz noch sehr lückenhaft. 1971 gab es z.B. in ganz Österreich nur etwa 70 UKW-Sendeanlagen. Dazu kamen einige reine TV-Umsetzer. Insgesatm waren es weniger als 100 Sendeanlagen. 1980 waren es schon 155 UKW-Sender. Mit den reinen TV-Umsetzern werden es etwa 200 Sendeanlagen gewesen sein. Heute betreibt die ORS dagegen fast 500 Sendestationen.

Viele kleine Orte hofften daher in den 1970ern, im Zuge des laufenden Ausbaus des Sendernetzes in den Versorgungsbereich eines neuen TV-Senders zu kommen. Dann wurde aber klar, dass es wirtschaftlich nur sinnvoll sei, für mehr als etwa 500 Leute einen eigenen TV-Sender zu errichten. Der ORF bot daher an, in sehr kleinen unversorgten Orten entweder die Errichtung einer Kabelanlage zu unterstützen oder es den Gemeinden zu gestatten, eigene Sendeanlagen geringer Leistung zu errichten.
Manager.

Re: Steirischer Funzelreport (1)

Beitrag von Manager. »

Der ORF bot daher an, in sehr kleinen unversorgten Orten entweder die Errichtung einer Kabelanlage zu unterstützen
In der Frequenztabelle des ORF vom 31.12.1984 sind bereits zahlreiche dieser Kabelanlagen gelistet.

Dort heißt es:
Ortsgemeinschaftsantennenanlage (errichtet mit Beteiligung des ORF)
Kabelanlagen zur Verteilung der Programme Ö1/Ö2/Ö3/FS1/FS2

Anzahl dieser Anlagen nach Bundesländern:
Kärnten 1
NÖ 7
OÖ 14
Salzburg 10
Steiermark 35
Tirol 3
Vorarlberg 5

orf-fan

Re: Steirischer Funzelreport (1)

Beitrag von orf-fan »

dass heisst man konnte bis mitte der 80er überall dort KEIN FERNSEHEN empfangen?
In vielen Häusern im Gebirge ist es heute noch so, dass ohne Satellit nichts ginge.
sind eigentlich fälle bekannt wo kein terrestrischer empfang möglich ist UND KEINE frei sicht nach süden, also astra gegeben sind und somit kein fernsehen möglich ist.
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