Sprachverwandtschaften

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PAM
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Sprachverwandtschaften

Beitrag von PAM »

Wolfgang R hat geschrieben: So 31. Mär 2024, 16:35 Darf ich dich anregen, hierüber einen Threat im OT Forum zu starten? Ich finde das faszinierend. Warum Dänen auch Schwedisch und Norwegisch verstehen. [...]

Im Baltikum kann ein Lette mit einem Litauer noch am besten auf Russich reden, zu weit sind die Sprachen entfernt. Esten verstehen sie überhaupt nicht. Esten verstehen aber wohl Finnländer.

Wolfgang
Finnisch und Ungarisch sind verwandt. Esten und Finnen würden einander halbwegs verstehen, wobei beide Sprachen auch ihre Dialekte haben. Ich hatte nach einigen Finnland-Aufenthalten jedoch den Eindruck gewonnen, abseits vom Geschäft hätte man wenig Interesse aneinander. Beliebt ist, mit Freunden oder Geschäftspartnern von Helsinki nach Tallin und zurück mit der langsamen Fähre zu fahren, gut zu essen und ordentlich zu bechern. Im Bordverkauf deckt man sich mit dem ein, was hochbesteuert und in Finnland entsprechend teuer ist: Zigaretten, hartem Alkohol und stiegenweise Dosenbier. Wenige von diesen Fährgästen gehen in Tallin von Bord.

Litauisch und Lettisch stellen die letzten beiden heute noch erhaltenen Sprachen des baltischen Zweiges der indogermanischen Sprache dar. Altpreußisch und Kurisch gehören als bekannteste Ableger ebenfalls dazu, gelten jedoch als ausgestorben. Es wird jedoch oft irrig angenommen, Litauisch und Lettisch würden wie auch die russische Sprache zu den slawischen Sprachen gehören - das ist aber klar falsch. In der Zeit der großen Sowjetunion galt in beiden Sowjetrepubliken die russische Sprache zwar als Amts- und Lehrsprache, Litauisch und Lettisch konnten sich aber bewahren. Über Jahrzehnte im Verborgenen, da die Sprachen und Gebräuche offiziell verboten waren. Doch auch dort wurde vieles ab den End-70ern nicht mehr so verbissen gesehen. Das Baltikum wäre eine zu überdenkende Urlaubsregion - auch abseits der jeweiligen Hauptstadtregionen.
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Thomas(Metal)
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Re: Sprachverwandtschaften

Beitrag von Thomas(Metal) »

Interessantes Thema!
Ich habe da schon gelegentlich mit gewissem Augenzwinkern dazu Bezug genommen. Betrachtet man es nüchtern, so bleibt leider festzustellen daß sich die Westgermanischen Sprachen inzwischen deutlich unterscheiden und eine Kommunikation leider ohne Sprachkenntnisse zwischen zwei Sprachen dieser Sprachgruppe kaum mehr möglich ist. Natürlich würde ich mir sowas wie bei der nordgermanischen Sprachgruppe wünschen: Etwa 80% Überschneidung, ein grundsätzliches Verständnis ist möglich ohne die Sprache des Gegenübers je gelernt zu haben.
Betrachtet man die Sprachen Deutsch, Niederländisch und Englisch, so fallen Brüche auf. Immerhin hatte es zwischen den dreien sogar ein Dialektkontinuum gegeben. Da wären die englische Sprache die im Gegensatz zum Altenglischen massiv die französische Sprache aufgenommen hatte. Bei der deutschen Sprache wäre die 2. Germanische Lautverschiebung zu nennen. Und schließlich hatte man die Niederländer nach dem 30 jährigem Krieg auch noch in eine eigene Sprache verabschiedet.
Das natürlich regional oder durch "Mode" immer wieder mal stärker an andere Sprachen angelehnt wurde und die sogar in Ortsdialekten Niederschlag fanden soll nicht unerwähnt bleiben. Durch die Aufgabe dieser wurde man leider ärmer. Ich habe leider den Eindruck man macht nichts gegen das Auseinanderdriften. Der Klassiker kann "Handy" sein. Eigentlich die deutsch Kurzform für handheld cellular phone weil man gegenüber davor keinen Backstein mehr hatte. Schön. Aber warum kann man sich dann nicht schlicht die Briten anhören und dann auf Mobile oder Cellular schwenken? Bei anderen Sachen, und sei es dem Gendern, klappt das ja auch irgendwie. Hier also nach meiner Meinung: Wenn Fremdwort, dann bitte auf die Nutzung in der ursprünglichen Sprache zurückführen.
Nochmals zum Dialekt, jetzt Grammatik: Progressive Forms. Im Deutschen ein Fremdwort. Damit kann man Schüler quälen. Nein, eigentlich nicht, zumindest bei den (Ost-)Unterfranken nicht. Man beachte den verkürzten Infinitiv mit vorweggestellem ge- . Das ist die ing-Form. Überall wo die im Dialekt genutzt wird, im Englischen ing und es paßt. Das es ansonsten im Deutschen versucht wurde, aber es nicht klappte kann man alter Sprache sehen. "Er gesaßt sich...". Die Progressiv-Form. Es war also gerade dabei sich hinzusetzen.
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Ruhrwelle
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Re: Sprachverwandtschaften

Beitrag von Ruhrwelle »

Progressive Forms. Im Deutschen ein Fremdwort. Damit kann man Schüler quälen. Nein, eigentlich nicht, zumindest bei den (Ost-)Unterfranken nicht. Man beachte den verkürzten Infinitiv mit vorweggestellem ge- . Das ist die ing-Form. Überall wo die im Dialekt genutzt wird, im Englischen ing und es paßt. Das es ansonsten im Deutschen versucht wurde, aber es nicht klappte kann man alter Sprache sehen. "Er gesaßt sich...". Die Progressiv-Form. Es war also gerade dabei sich hinzusetzen.
Ruhrpott löst:
Er setzt sich -> Er setzte sich -> Er war am hinsetzen (dran) -> Er war sich am hinsetzen gewesen. Oder wat? :D
Thomas(Metal)
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Re: Sprachverwandtschaften

Beitrag von Thomas(Metal) »

Ruhrwelle hat geschrieben: So 31. Mär 2024, 23:52
Progressive Forms. Im Deutschen ein Fremdwort. Damit kann man Schüler quälen. Nein, eigentlich nicht, zumindest bei den (Ost-)Unterfranken nicht. Man beachte den verkürzten Infinitiv mit vorweggestellem ge- . Das ist die ing-Form. Überall wo die im Dialekt genutzt wird, im Englischen ing und es paßt. Das es ansonsten im Deutschen versucht wurde, aber es nicht klappte kann man alter Sprache sehen. "Er gesaßt sich...". Die Progressiv-Form. Es war also gerade dabei sich hinzusetzen.
Ruhrpott löst:
Er setzt sich -> Er setzte sich -> Er war am hinsetzen (dran) -> Er war sich am hinsetzen gewesen. Oder wat? :D
:spos:

So kenn'ich dat :cheers:
Wo: "Jewesen" :bruell:
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Ruhrwelle
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Re: Sprachverwandtschaften

Beitrag von Ruhrwelle »

Weiße watte biss? Deinen Absatz am Verlieren, dat bisse!
Thomas(Metal)
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Re: Sprachverwandtschaften

Beitrag von Thomas(Metal) »

Ruhrwelle hat geschrieben: Mo 1. Apr 2024, 00:09 Weiße watte biss? Deinen Absatz am Verlieren, dat bisse!
:bruell: :bruell: :bruell:
Dat hab'ich vom Oppa! Et is' so in Ordnung, dat sach ich dir!
Für alle die sich wundern: Wir haben eine feine Sprachgrenze in der Ruhrhalbinsel.
So muß es wohl gewesen sein und dann hatten wir verschiedene westgermanische Sparchen die (schon zuvor?) miteinander nicht mehr konnten. :cheers:
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PAM
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Re: Sprachverwandtschaften

Beitrag von PAM »

Ick gloob, ihr habt alle een zuviel! :verrueckt:
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Thomas(Metal)
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Re: Sprachverwandtschaften

Beitrag von Thomas(Metal) »

Für alle die mal richtiges Deutsch lernen wollen hätte ich hier mal was zum Aufbau des Wortschatzes: https://www.ruhrgebietssprache.de/glossar.html
:cheers:

Gut, natürlich _nach_ Hessisch versteht sich.
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frank.koriander
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Re: Sprachverwandtschaften

Beitrag von frank.koriander »

Den Klassiker schlichtweg haben wir hier noch nicht angesprochen: Niederländisch und Deutsch. In diversen Enzyklopädien findet sich bezüglich sogar eine Darstellung, die unseren Nachbarn gar nicht gefallen wird:
Niederländisch ist deutsche Mundart und leitet sich vom Niederfränkischen (einem Zweig des Niederdeutschen) und von anderen niederdeutschen Dialekten ab
Dabei ist das alles sowas von klar:

"Ik wil slapen. Ik denk dat dat een goed idee is, want het is een lange dag geweest".

Da kann doch nun niemand sagen, dass das anders ist als andere deutsche Mundart ;)

Lustig übrigens, dass es eine Situation gibt, wo junge Niederänder sogar sagen, sie würden schon Deutsch sprechen, nämlich wenn es in der Schule um die erste Fremdsprache geht. Da nehmen sie inzwischen lieber Englisch (und gehen damit dem Deutschen aus dem Weg), und so gibt es immer weniger junge Menschen in den Niederlanden, die unser (Hoch)-Deutsch sprechen, anders als es noch in den Generationen zuvor der Fall war.
das letzte MHz
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Re: Sprachverwandtschaften

Beitrag von das letzte MHz »

PAM hat geschrieben: So 31. Mär 2024, 16:59Das Baltikum wäre eine zu überdenkende Urlaubsregion - auch abseits der jeweiligen Hauptstadtregionen.
Ja, wer kann sollte das Baltikum unbedingt mal bereisen (Litauen ist aktuell mein persönlicher Favorit von den Dreien). Dort, wo die historische Bausubtanz saniert wurde, kommt man teils aus dem entzückten Staunen nicht mehr heraus. Landschaftlich ist die Ostsee im Baltikum auch sehr reizvoll. Da du ja Ostblockerfahren bist, wird dich auch die eine oder andere Hässlichkeit aus Sowjetzeiten nicht übermäßig frustrieren.
Hitradio KBBL Springfield - nur echt auf 102.5 MHz!
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Re: Sprachverwandtschaften

Beitrag von Nicoco »

frank.koriander hat geschrieben: Mo 22. Apr 2024, 10:27 und so gibt es immer weniger junge Menschen in den Niederlanden, die unser (Hoch)-Deutsch sprechen, anders als es noch in den Generationen zuvor der Fall war.
Definitiv, das stirbt allmählich aus.
Ist es für die heutige Generation ab 40 aufwärts im Grenzbereich vollkommen normal, dass sie der deutschen Sprache mächtig sind, so fällt mir bei jüngerem Personal in den Geschäften direkt hinter der Grenze (Venlo, Roermond, Winterswijk, usw.) doch deutlich auf, dass sie mit deutsch aber auch wirklich gar nichts mehr anfangen können.
Grundsätzlich hab ich damit auch kein Problem, niederländisch funktioniert für mich auch :joke:
Man war es halt nur gewohnt, dass man hinter der Grenze auch weiter deutsch gesprochen hat.
Heute dann doch eher englisch, wenn man selbst dem niederländischen nicht ganz so firm ist.
DAB-Empfangsprognosen: dabmap.nicocoweb.de
SOLAR MAX
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Re: Sprachverwandtschaften

Beitrag von SOLAR MAX »

Dass die älteren Menschen in NL besser Deutsch sprechen als die Jugend liegt auch daran, dass es früher in NL nur ein TV-Programm gab, welches erst ab ca. 17 Uhr startete. Viele Niederländer haben damals mit riesigen hohen Richtantennen die deutschen TV-Programme geschaut und dabei Deutsch gelernt.
Lorenz Palm
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Re: Sprachverwandtschaften

Beitrag von Lorenz Palm »

Noch enger mit dem Niederländischen verwandt als das Hochdeutsche ist das Plattdeutsche. Als ich als Kind wissen wollte, was das Niederländische ist, hieß es, das sei so ähnlich wie Plattdeutsch. Allerdings gibt es beim Plattdeutschen viele regionale Varianten. Was die Verwandtschaft zum Niederländischen betrifft gibt es dabei ein West-Ost-Gefälle. Die Varianten, die weiter westlich gesprochen werden, sind enger mit dem Niederländischen verwandt als die östlicheren.
iro
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Re: Sprachverwandtschaften

Beitrag von iro »

Mein Vater sprach Norder Platt (Ostfriesland), was mit dem Groninger Platt wohl recht gut zusammenpasste.
RF_NWD
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Re: Sprachverwandtschaften

Beitrag von RF_NWD »

Ein aktuelles Beispiel für unterschiedliche Bedeutungen von hoch- und niedeutschen Wörtern gab es ja gerade auf Norderney, als sich dort die BT Landesgruppen aus NRW und NDS zum Abendessen in der "Giftbude" trafen.
Da ist der Spott der Journalisten vorprogrammiert. Johannes Saathoff muss den Begriff aus dem Plattdeutschen übersetzen: Geschenk, Gabe.
In Osnabrück gibt es jedes Jahr nach Neujahr den "Handgiftentag" des Stadtrates.
handgiften-dag, der tag an welchem in Osnabrück der rath alljährlich von neuem, so wie in Hildesheim, und anderwärts, gewählet wird; weil nun solches gemeiniglich der tag nach dem neujahrstage ist, und man sich bey anwünschung eines beglückten eintritts ins neue jahr die hände giebt; so mag der tag davon seinen namen haben; doch will man auch, daß an dem tage in alten zeiten die rathsherren etwas geld, oder eine gifte, gabe bekommen hätten, und dann hätte das wort einen andern ursprung”[2]
https://de.wikipedia.org/wiki/Handgiftentag
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