" Das Ende des deutschen Traums "

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RF_NWD
Beiträge: 3692
Registriert: Fr 31. Aug 2018, 22:33

" Das Ende des deutschen Traums "

Beitrag von RF_NWD »

Manchmal lohnt es sich die Widersprüchlichkeiten der Kommentare deutschen Lokalzeitungen aufzuspießen.

1.
Neulich räsonierte die Kolumnisten der NOZ : "Wohlstand für alle wird es so nicht mehr geben "
"Jahrzehntelang lebten viele Deutsche den Traum, dass sie sich mit Fleiß und Disziplin ein gutes Leben aufbauen konnten. Inzwischen ist dieser Traum zerplatzt – wegen staatlicher Fehlanreize, aber auch eines fatalen Leitbilds. Zeit zum Umdenken !"
Als Beispiel musste ein Maurer, jetzt in Rente, herhalten, mit dem sie sich beim Warten in einer Autowerkstatt unterhalten hatte.
" Die jungen Leute heute wären nicht mehr bereit, sich für den Beruf zu schinden Arbeit sei manchmal auch Qual. das gehöre dazu." Die Illusion des anstrengungslosen Wohlstands. Schuld hätten der Staat durch falsche Anreize , wie das Bürgergeld und falsche öffentliche Leitbilder wie der Begriff der "Work-Life Balance "

Blättert man ein paar Seiten weiter, erscheint die Werbung des Jobportals der NOZ. " Ich mach, was ich will !° DU Auch ? " Jobs mit Work-Life Balance bei dir um die Ecke finden.

2.
Die Schaumburger Nachrichten erschienen am Samstag mit der Titelseite : "Schaumburger helfen Schaumburgern -Start der Weihnachtshilfe. - Darunter die Schlagzeile: "Essen gehen wird teuer -Mehrwertsteuer steigt"
Kann die wohlsituierte, deutlich gealterte Leserschaft sich wegen 2 Euro mehr fürs Schnitzel das Spenden nicht mehr leisten ?

Dazu noch ein populistische Kommentar,
Doch diejenigen in Berlin, die diesen Schritt beschlossen haben, finden sicherlich noch genug Möglichkeiten, Essen zu gehen.
Immerhin wurden die Diäten vor Kurzem erst erhöht. Also sollte das teurere Schnitzel sie von einem Besuch im Restaurant nebenan nicht abhalten – ein paar werden ja überleben.
Mir fehlt da der Disclaimer in eigener Sache: " Wir Lokaljornalisten sind an dem Erhalt der Gastronomie interessiert, weil uns sonst die Anzeigen an den Wochenenden und zu den Feiertagen wegbrechen. "

Für einen Großteil der Bevölkerung spielt das Thema doch jetzt schon keine große Rolle mehr. Fast Food mal ausgenommen." Ist eh schon alles weg und leisten kann ich mir das sowieso nicht mehr."

Die Stadtredaktion der NOZ schildert dagegen ganz offen die tatsächlichen Hintergründe der permanenten Wechsel in der Gastro-Landschaft und warum Betriebe wieder geschlossen werden.
Warum aus dem OSNA Grill das "Esnaf " wurde mit türkischer Hausmannskost, warum das türkische Restaurant "Kartoffelhelden" in Neumarkt-Nähe schon wieder zu macht und zu einem Kiosk wird ( Als ob es nicht schon genug davon gäbe) Tenor : Die Welt ist nach Corona eine andere geworden, ein gnadenloser Existenzkampf und Verdrängungswettbewerb. Den Türken hilft dabei noch ihr Familiensinn und der Zusammenhalt der Brüder. ( und sicher auch Selbstausbeutung )
Noch so eine Brüder-Story: Zwei Migrantenkinder bauen den alten Gasthof "Zur Post" in Wissingen für 900.000 € zu einem Wohn- und Geschäftshaus. Mit ganz viel Eigenleistung der ganzen Familie.

So ähnlich klang das auch bei einem der türkischen Interessenten aus der Gastro-Szene für das Haus meiner Mutter in Stadthagen. Den Zuschlag bekam er aber nicht, weil seine Kinder schon kurz vorm Abi sind, er uns etwas zu großspurig vorkam und verspätet ohne sein Frau erschien. Es wäre eine rein politische Entscheidung gewesen, auch wenn wir keine Zweifel hatten, dass wir das Geld bekommen würden.

Übrigens in Stadthagen dürfte es auch ganz schwierig sein, überhaupt irgendwo noch ein Wiener Schnitzel zu bekommen. Egal, was es kostet. Der Großteil der Gastro-Bereiche der Innenstadt ist doch sowieso in türkischer Hand. Dönerbuden ohne Ende.
Das ältere Bürgertum, das die Mehrzahl der Zeitungsleser bildet, fremdelt nach wie vor mit diesen langjährigen Veränderungsprozessen. Das immer mal wieder hoch kommende Thema der nicht gelungenen Integration und Fehlentwicklungen hat durchaus zwei Seiten einer Medaillie in einer Stadt in der 25% der Einwohner keinen deutschen Pass haben ( Kernstadt deutlich höher)
Und zum Überleben der deutschen Innenstädte tragen die deutschen Nachbarn auch herzlich wenig bei. Bei den Doppelverdienern nebenan stand täglich der Paketwagen vor der Tür. In Osnabrück stapeln sich die Pakete von Amazon, Zalando oder H&M für die jungen Frauen. Irgendwer von den "Alten" im Haus wird schon aufmachen im Haus. Denn zur Packstation oder zum Paketshop wollen die natürlich auch nicht laufen. Haben ja sowenig Zeit !
Wolfgang R
Beiträge: 748
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Re: " Das Ende des deutschen Traums "

Beitrag von Wolfgang R »

Zum Gastro Thema: Hier in userem Touristenort gibt es selbst verständlich noch "gut bürgerliche" Gaststätten im Schatten der Sternetempel.

Das sind alles Familienbetriebe, der Mann kocht, die Frau ist alleine im Service und Tanten und Mütter helfen mit. Die gehen alle auf die 60 zu. Durch die gestiegenen Energiekosten und die gestiegenen Lebensmittel und Frittierölkosten gab es mehrfach Preisanpassungen.

Alle Betriebe haben nun zwei Ruhetage in der Woche, weil die Leute nicht mehr jünger werden und sich kaputt arbeiten. Bis in 10 Jahren sind die zu und es kommt nix nach, die Jungen haben keine Lust auf Schuften, schlechte Bezahlung und Überstunden. An Gästen fehlt es nicht, ohne telefonische Reservierung keine Chance.


Dann gibt es immer mal wieder welche, die versuchen es mit einem so modernen schicki-micki Konzept und frische Küche - neu interpretiert. Zu fürstlichen Preisen und mit ganz vielen jungen, adrett gekleideten Bedienungen im Dirndel. Wer da mal war und zu zweit knapp 80 EUR für ein winziges Schnitzel mit Pommes sowie einen gemischten Salat bezahlt hat, kam nicht nochmal. Preis/Leistung stimmt nicht. Das ging noch nie länger als ein halbes Jahr gut. Im Moment schon 1 Jahr Leerstand.

Zwei alt eingesessene türkische Schnellrestaurants gibt es. Beides Familientbetriebe, bei beiden schuften alle mit. Das Geschäft läuft, Berührungsängste gibt es vielleicht bei den ganz Alten. Sonst weiss man, dass das gute Qualität ist.

Einen albaner-Italiener, er nennt sich Mario, haben wir. Auch Familienbetrieb. Sie schuftete sich hochschwanger ab, nun hilft eine Bedienung aus. Essen top, Preise auch mehrfach angepasst. An Gästen fehlt es dennoch nicht.

Unser Grieche, auch ein Familienbetrieb, wurde leider aus der Lokation gekündigt. Schade. Aber auch er ist im Rentenalter, lange wäre das nicht mehr gegangen.

Kurzum: Gastro in der normalen, nicht preislich gehobenen Klasse funktioniert nur mit niedrigen Personalkosten. So können sich nur Familienbetriebe behaupten.

Hochpreisig wird nicht angenommen, wenn die Leistung nicht zum Preis passt.


Wolfgang
Wahlbaiersbronner im schönen Murgtal
Ruhrwelle
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Re: " Das Ende des deutschen Traums "

Beitrag von Ruhrwelle »

So lange die "Blagen" überwiegend Infaulenzer werden wollen ändert sich nix. Die medialen Vorbilder sind falsch. Reich sein durch Berühmtheit ist kein realistischer Beruf. Natürlich will dann keiner mehr in die Gastro, in die Pflege oder ins Handwerk, wenn vorgelebt wird, dass man nur als Millionär ein vollwertiger Mensch ist.

Quelle: Vorschläge bei Youtube, überwiegend irgendwas mit dicken Autos, viel Geld und aus den USA (wo der amerikanische Traum auch nie für alle galt). Und ja, es gibt auch realitätsnahe berufsbezogene Videos.

Und warum laufen türkische, arabische oder italienische Gastronomiebetriebe? Klar, wie schon genannt: Familienzusammenhalt ob man will oder nicht plus jeden Tag von morgens bis abends schuften. Und Kinder? Klare Arbeitsteilung: Die Frauen kümmern sich, helfen bei der Arbeit aus und die Männer verdienen das Geld. Also das Familienbild, das in Deutschland mittlerweile stark verpönt ist.
Zuletzt geändert von Ruhrwelle am Sa 25. Nov 2023, 10:56, insgesamt 1-mal geändert.
htw89
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Re: " Das Ende des deutschen Traums "

Beitrag von htw89 »

Den Osna-Grill kenn ich noch gut. Wenn die Mensa mir mal nicht zusagte und ich keine Lust hatte was zu kochen wurde der durchaus das ein oder andere mal aufgesucht, da gabs ne ordentliche Portion für wenig Geld, das ging dann mit dem schmalen Studentengeldbeutel schon klar.
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