So ganz stimmig ist das aber nicht. Zitat:
Im Frühjahr 2022 war für Fachleute klar: Mit dem russischen Großangriff auf die Ukraine ist der Atomausstieg Geschichte. Nach dem Ausfall russischer Gaslieferungen schien das Risiko flächendeckender Stromausfälle und explodierender Strompreise zu hoch, als dass man sich ein Atom-Aus noch hätte leisten können.
Was so nicht stimmt, schon damals waren sich die Experten nicht einig.
Die reale Entwicklung widerspricht den Horrorszenarien. Ich kann aus den Marktdaten jedenfalls nicht herauslesen, dass die Abschaltung von AKWs in Deutschland eine signifikante Preis-Hausse verursacht haben soll. Ganz im Gegenteil: Sie spielte kaum eine Rolle, was auch klar ist, wenn man verstanden hat, wie der Strommarkt funktioniert, und was die Preise getrieben hat. Das Merit-Order-Prinzip sorgt dafür, dass zu Spitzenlastzeiten nicht Atomkraftwerke den Preis vorgeben, sondern fossile Kraftwerke (hier: Gas) oder Speicherkraftwerke.
Jährliche und ab 2021 Vierteljährliche Day-Ahead-Börsenstrompreise, volumengewichtet, laut energy-charts.info, pro MWh:
2006: 51,05 €
2007: 39,56 €
2008: 66,77 €
2009: 39,88 €
2010: 45,55 €
2011: 51,58 €
2012: 42,63 €
2013: 37,85 €
2014: 32,58 €
2015: 31,45 €
2016: 28,20 €
2017: 32,87 €
2018: 43,26 €
2019: 36,64 €
2020: 29,51 €
Q1/2021: 49,18 €
Q2/2021: 57,88 €
Q3/2021: 95,70 €
Q4/2021: 175,33 € - es sei angemerkt, dass die Bundesregierung erst Ende Q4/2021 (8.12.) angetreten ist. Ende 2021 wurde die von der CDU-geführten Regierung beschlossene nächste Abschaltstufe der AKWs durchgeführt
Q1/2022: 178,05 € - Kurz nach Mitte des Quartals hat Russland die Ukraine überfallen. Trotz gerade abgeschalteter AKWs zum Jahreswechsel KEIN Preisanstieg.
Q2/2022: 184,37 €
Q3/2022: 369,04 €
Q4/2022: 190,93 €
Q1/2023: 113,08 €
Q2/2023: 89,05 € (hier wurden die AKWs abgeschaltet)
Q3/2023: 89,42 €
Q4/2023: 81,35 €
Q1/2024: 66,92 €
Inflationsbereinigt ist Strom heute nicht teurer als 2006 - im Gegenteil. 2011 verhinderten auch 102 TWh Atomstrom nicht, dass Strom in Deutschland real so teuer war wie (oder teurer als) heute. Der teilweise Ausstieg in den 10er-Jahren hat den Preis nicht hoch getrieben, und der endgültige Ausstieg 2023 auch nicht.
66,92 € heute wären 2006 ca. 47,50 € gewesen.
Auch wurde der fehlende Atomstrom NICHT durch fossile Energie ersetzt.
2006: 158,7 TWh aus AKWs, 69,8 TWh aus Erneuerbaren, 317,1 TWh aus fossilen Quellen.
2011: 102,2 TWh aus AKWs, 120,8 TWh aus Erneuerbaren, 301,0 TWh aus fossilen Quellen.
2020: 60,9 TWh aus AKWs, 243,3 TWh aus Erneuerbaren, 186,9 TWh aus fossilen Quellen
2021: 65,4 TWh aus AKWs, 226,0 TWh aus Erneuerbaren, 209,2 TWh aus fossilen Quellen (ja, vor der Ampel, vor dem russischen Überfall)
2022: 32,8 TWh aus AKWs, 242,8 TWh aus Erneuerbaren, 216,7 TWh aus fossilen Quellen (die 3 letzten AKWs laufen noch)
2023: 6,7 TWh aus AKWs, 258,7 TWh aus Erneuerbaren, 165,2 TWh aus fossilen Quellen
Übrigens: im Q4/2021 lag der Börsenstrompreis beim Nachbarn Frankreich mit 221,42 € / MWh schon ca. 20% über dem in Deutschland - trotz AKWs...Erst Anfang 2024 sank er leicht unter das deutsche Niveau.
Redispatch-Maßnahmen scheinen auch nicht signifikant zugenommen zu haben, da fehlt mir jetzt aber die Zeit zur Analyse:
https://energy-charts.info/charts/power ... &year=2021