ulionken hat geschrieben: ↑Mo 8. Apr 2024, 11:06
frank.koriander hat geschrieben: ↑Mo 8. Apr 2024, 09:08
Und nein, Putin wird danach nicht das Baltikum angreifen. Maximal sehe ich noch Moldau.
Woher willst du das denn wissen? Wo ist denn Deine "Faktenbasis"? Deine persönliche Meinung magst Du ja gerne haben, aber die bisherige Erfahrung zeigt leider, dass er bei jeder Gelegenheit, ohne Rücksicht aufs Völkerrecht und ohne jegliche Skrupel militärisch eingegriffen hat, solange das Risiko für ihn persönlich nicht zu hoch war. Putin hat auch über seine expansionistischen Gelüste in den letzten Jahren nicht geschwiegen - siehe die seltsamen Rückblicke auf ein früheres russisches Reich
https://www.merkur.de/politik/ukraine-k ... 95534.html und auf die Grenzen der UdSSR, in denen bekanntlich auch die baltischen Staaten lagen.
Nach meiner Meinung ist Russland unter seiner derzeitigen Regierung eine Gefahr für die baltischen Staaten und damit auch für uns. Siehe auch das Interview mir dem lettischen Außenminister,
https://www.rnd.de/politik/ukraine-krie ... LTBDI.html, der das Ganze mit mehr Hintergrunderfahrung beurteilt als irgendwelche Schreiber in OT-Foren...
73 de Uli
Niemand kann in den Kopf eines anderen Menschen hineinschauen und dessen Gedanken lesen. Aber man kann sich die Mühe machen, die bekannten Fakten möglichst unvoreingenommen zu bewerten und daraus halbwegs seriöse Prognosen zu erstellen.
Meine Gedanken dazu sind:
1. Putin ist seit über 20 Jahren im Amt.
Wenn er der imperialistische Eroberer ist, als der er jetzt dargestellt wird, warum hat er dann nicht schon viel früher angegriffen, bspw. als das Baltikum noch nicht in der NATO war?
Warum soll er ausgerechnet jetzt einen Angriff auf Osteuropa planen, wo die russische Armee noch nicht einmal die Ukraine endgültig bezwingen kann und bereits deutlich geschwächt ist?
2. Russland hat noch kurz vor dem Umsturz in Kiew ein weiteres bis 2047 geltendes Abkommen über Sewastopol mit der Ukraine abgeschlossen.
3. Die Annexion der Krim wird selbst von Juristen unterschiedlich bewertet.
Für Peter Scholl-Latour war dieser Schritt nach dem Umsturz nachvollziehbar und er entspricht nach allem, was ich weiß, auch dem Willen der meisten Bewohner dort.
Die Krim war eindeutig russisch.
Die Entscheidung Chruschtschows, die Krim der Ukrainischen SSR zu „schenken“ war rein symbolischer Art und hatte in der UdSSR keinerlei praktische Bedeutung. Dennoch hat Russland den Status auch nach dem Ende der UdSSR nicht in Frage gestellt.
Bis zum Umsturz und der damit beginnenden russlandfeindlichen Politik Kiews.
4. Der Krieg in der Ukraine ist nach meiner Einschätzung kein „imperialistischer Eroberungskrieg“, auch kein „Vernichtungskrieg“, denn es wurde noch nie gefordert, die Ukraine auszulöschen oder sie wieder Russland einzugliedern.
Der Krieg begann, nachdem die Ukraine 8 Jahre lang die eigenen russischsprachigen Ostprovinzen militärisch attackiert hat mit bis zu 15000 Toten und der Westen letztlich nicht gewillt war, das Minskabkommen umzusetzen, wie es ja Merkel letztes Jahr auch zugegeben hat. Und Russland sieht sich nun mal als Schutzmacht der russischsprachigen Bevölkerung im Donbass.
5. Der Angriff auf ein NATO-Land würde unmittelbar den Bündnisfall auslösen.
Russland ist konventionell der NATO deutlich unterlegen, so dass es einen derartigen Krieg nur atomar führen könnte.
Wo gibt es Hinweise, dass Putin dies will?
Wo also sind denn nun echte Belege für die ständige Behauptung, Russland plane einen Angriff auf Osteuropa?
Und wo wird wirklich mal versucht, diesen schlimmen Krieg vorurteilsfrei zu analysieren, der eben doch eine äußerst vielschichtige Vorgeschichte hat, der man aus meiner Sicht mit der üblichen Schwarz-Weiß- bzw. Gut-Böse-Brille nicht gerecht wird.
Um es klarzustellen:
ich lehne den russischen Krieg in der Ukraine absolut ab. Dafür gibt es für mich keine Rechtfertigung.
Aber ich bin sehr wohl auch der Ansicht, dass die Ukraine hier nicht nur das unschuldige Opfer ist.
Und ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass es Chancen gegeben hätte, diesen Krieg zu verhindern.
Ich erinnere auch nochmal an den großen Peter Scholl-Latour, der im Gespräch anlässlich seines 90. Geburtstags 2014 gesagt hat, dass er eine Zukunft der Ukraine angesichts ihrer inneren Spaltung nur in einer Föderation mit einer stark eigenständigen westlichen und östlichen Landeshälfte sieht.
Und es wurden damals auch Reportagen von ca. 2006 über den Donbass eingespielt, die zeigten, wie groß der innerukrainische Konflikt bereits damals war.
Aber nach dem Umsturz 2014 hatte die neue ukrainische Führung nichts besseres zu tun, als massiv gegen die russischsprachige Bevölkerung vorzugehen.
Ich hätte Deutschlands Rolle, auch aufgrund unserer Geschichte, darin gesehen, ein „ehrlicher Makler“ zu sein und alles für eine Deeskalation zu tun, anstatt mit Sanktionen gegen Russland einseitig Partei zu ergreifen.
Nun werden wir von keiner Seite mehr ernstgenommen.
Die Ukraine hat uns wiederholt übelst beleidigt, trotz der vielen Milliarden Euro, die wir dorthin gegeben gaben.
Und Russland sieht uns auch nicht mehr als Partner, mit dem man reden kann.
Das ganze halte ich für tragisch.
Noch ein Nachtrag dazu, dass Putin der UdSSR nachtrauert:
https://de.wikipedia.org/wiki/Referendu ... union_1991
Es gab 1991 noch ein Referendum, in der sich die Menschen dort mit großer Mehrheit, auch in der Ukraine, für eine erneuerte Union und gegen ein Auflösung des Bundesstaates ausgesprochen haben. Die Auflösung der UdSSR Ende 1991 war im Grunde eine autokratische Entscheidung Jelzins und einiger Helfer, die freilich v.a. eigene Machtgelüste hatten.
Insofern kann ich Putin verstehen, dass er dies als „Katastrophe“ ansieht, denn damit begannen letztlich auch viele (sicherlich bereits bestehende) ethnische Konflikte sich erst richtig zuzuspitzen.