PAM hat geschrieben: ↑Do 24. Mär 2022, 09:30 Die Lieferverträge mit Gazprom sollen auf EUR oder USD als Zahlungswährung laufen. Ich vermag es nicht zu beurteilen, ob die einseitige Vertragsänderung der Zahlungswährung direkt ein Vertragsbruch wäre - wie es einige unserer Leitmedien einschließlich des Ministers Habeck darstellen.
Der Ökonom Marcus Matthias Keupp äußerte sich in einem Interview, die Lieferverträge seien mit Laufzeiten bis zu 15 Jahren in EUR oder USD ausgehandelt. Die einseitige Veränderung der Zahlungsmodalitäten käme nach seiner Ansicht einem Vertragsbruch gleich, sofern die Gegenseite der Änderung nicht zustimmt. Insofern sei die ausgesprochene Androhung, Zahlungen in Rubel zu verlangen, eher eine taktische Äußerung gewesen. In der Tat vermochte selbst diese Aussage den Rubel etwas zu stabilisieren. Zugleich stieg allein deshalb der Gaspreis auf den Spotmärkten um etwa ein Viertel. Allein schon, weil sie Ängste schüren sollte, Erdgas könnte knapp werden. Zur Erinnerung, das betrifft nicht die bereits laufenden Langzeitverträge! Die Bezahlungen liefen bisher in Devisen über die Gazprom Bank, die nicht sanktioniert wird.
Primär war das Ziel dieses Schachzuges also die Stabilisierung des Rubels. So wird Russland nicht um massive Eingriffe in den nationalen Finanzsektor herumkommen. Zumal der Rubel trotz Leitzinserhöhung weiter an Wert verloren hatte.
Marcus Matthias Keupp bezeichnet einen Boykott von Erdgas und Erdöl aus Russland als nicht direkt geeignet, den Krieg zu beenden. Zwar gehen die Einnahmen daraus über Rosneft und Gazprom in den Staatshaushalt, sind aber nicht kriegsrelevant. Kriegsrelevant sind die Produktionsstätten für Kriegsmaterial und -gerät, für Kraft- und Schmierstoffe und die Bezahlung der Militärangehörigen. In allem ist Russland autark, kann selbst produzieren und bezahlt in der Landeswährung Rubel. Im Kriegseinsatz ist wenig westliche Technik, womit sich Sanktionen etwa durch für Russland nicht mehr verfügbare Ersatzteile kaum bemerkbar machen würden. Bei Kriegsmaterial und -gerät lebt das Militär derzeit von den Reserven. Es gibt Berichte westlicher Geheimdienste über Ausfallquoten von Waffensystemen der Artillerie bis zu 50 oder gar 60 %. Ebenso scheint das rollende Material über Jahrzehnte wartungsfrei aufbewahrt worden zu sein. Technische Ausfälle addieren sich also zu den Verlusten im Kampfeinsatz. All das binnen kurzer Zeit in großen Mengen neu zu produzieren ist unmöglich.
Es war eine irrige Einschätzung, der Griff nach der Ukraine wäre eine Sache weniger Tage gewesen. Für einen länger andauernden Krieg in klassischem Umfang vermissen mehrere Ökonomen eine langjährige Vorbereitung der Wirtschaft auf eine Kriegsphase durch Umstellung auf eine darauf ausgerichtete Kriegswirtschaft. Das wäre aber auch im Ausland nicht unbemerkt geblieben. Auch scheint die Rüstungsindustrie nicht mit einer Erhöhung der Produktion zu reagieren. Und letztlich bleibt noch der sehr schleppende Nachschub zur Front. Dagegen ist der Schaden, den die russische Volkswirtschaft erlitt, schon jetzt nicht zu übersehen. Mehrere Ökonomen äußerten, es würde das Land wirtschaftlich etwa 30 Jahre zurückwerfen.
Was wäre denn geeignet, den Krieg zu beenden? Fakt ist, Putin kann und darf innenpolitisch sein Gesicht nicht verlieren. Zwar könnten einflussreiche Gruppen versuchen, ihn aus dem Amt zu drängen - man hat nur keinen Nachfolger. Es ist praktisch alles auf ihn ausgerichtet. Hinzu kommt, dass die inländische Meinungsmache durch gesteuerte Informationen (andere nennen es Propaganda) und das immer wiederholte Stärken des russischen Selbstbewusstseins weder eine militärische Niederlage noch das Ende eines starken Putin zulassen würden. Denkbar wäre - auch innenpolitisch in Russland darstellbar - ein von der Ukraine und auch international anerkannter Status des Donbass als entweder eigenständig oder aber zu Russland gehörend. Ergänzt durch die künftige Neutralität der Ukraine bei einem Ausschluss einer EU- oder gar NATO-Mitgliedschaft. Das Ziel einer Entwaffnung der Ukraine, den Einsatz einer Marionettenregierung in Kiew oder gar einen Anschluss an Russland sehe ich erstmal nicht erreichbar.
Wirtschaftlich hat es bereits jetzt die Ukraine schwer getroffen, die Schäden an Infrastruktur, Industrie und Landwirtschaft sind erheblich. Den Lebensstandard wie vor dem Krieg wird die Bevölkerung auf Jahrzehnte nicht wiedererlangen. Selbst dann nicht, wenn die EU sich wie angekündigt am Wiederaufbau beteiligen würde. Ob dies überhaupt mit einer Neutralität der Ukraine vereinbar wäre, das bliebe zu verhandeln.