Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre...

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htw89
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Re: Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre...

Beitrag von htw89 »

Diese Abstiegsgefahr ist für die Mitte durchaus spürbar. Und man sieht halt an allen Ecken und Enden, wie es in der Infrastruktur knirscht, wie der Personalmangel wächst und wie das Gemeinschaftsgefühl in der Gesellschaft abgenommen hat. Deutschland mag nach BIP gut dastehen, die Einkommensverteilung hingegen ist grotesk, die Vermögenden werden zu wenig besteuert, man baut sich mit einem riesigen Niedriglohnsektor das Prekariat von morgen und wer jetzt noch zur "Mitte" zählt, wird doppelt, dreifach oder als arbeitende Person unter 50 gleich vierfach abgezogen. Ich sehe aber auch nicht dass das mit einer AfD besser werden würde. Vielleicht muss man auch einfach den Kapitalismus an sich weltweit beseitigen, um die Demokratie zu erhalten. :gruebel:
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Nicoco
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Re: Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre...

Beitrag von Nicoco »

Der Kapitalismus an sich ist nicht das Problem, ihm verdanken wir erst überhaupt den heutigen Wohlstand.
Nur braucht der Kapitalismus einige soziale Leitplanken an die Seite gestellt, soziale Marktwirtschaft halt.
Gleichzeitig darf man es mit den Leitplanken aber auch nicht übertreiben, sonst rutscht das System schnell in eine Art Sozialismus, bei der wieder nur alle Verarmen.
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DH0GHU
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Re: Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre...

Beitrag von DH0GHU »

Richtig. Es gibt kein einziges Land, das durch Sozialismus zu Wohlstand gekommen wäre. Ganz im Gegenteil. Sozialistische Experimente haben bisher immer am Ende dazu geführt, dass die Länder abgehängt werden.
Allenfalls fallen die Unterschiede zwischen Berufsgruppen dort geringer aus, aber eher aufgrund des Prinzips "Armut für Alle" - und der Geldadel ist gut abgeschirmt und wird in den Medien nicht kritisch betrachtet. Letztenendes ist das Ziel "Wohlstand" auch Motivator, sich in den Dienst z.B. eines Unternehmens und damit der Gesellschaft zu stellen. Warum sollte ich jeden Tag meinen Kopf 8 Stunden anstrengen, wenn ich auch für weniger Nachdenken genauso viel Geld bekäme? Warum sollte ein Handwerker qualitativ gut arbeiten, wenn er auch dann sein Einkommen hat, wenn er nur Mist liefert? Nein, Sozialismus ist schlichtweg widernatürlich. Sicherlich ist er in der Theorie eine sehr zivilisierte Gesellschaftsform, vielleicht zivilisierter als die soziale Marktwirtschaft - aber was bringt das, wenn's schlicht nicht funktioniert?

Was ein bischen aus den Fugen geraten ist, ist die Gerechtigkeit bei der Einkommensbesteuerung. Ich sehe hier nichtmal die Vermögenssteuer als "Knackpunkt", da viele Vermögen ja eigentlich nur aus Produktionskapazitäten und Firmenwerten bestehen - die letzendlich Wohlstandsmultiplikatoren sind. Natürlich sind die BMW-Besitzer reich, weil sie BMW besitzen. Das sind aber Buchwerte, und zuerst mal profitieren zigtausende Beschäftigte. Was dann an Gewinnen heraus gezogen wird: DAS muss besteuert werden.
Oder, eben ganz einfach: Soziale Marktwirtschaft. Ergänzend sei da hinzugefügt, dass natürlich auch Normen, Standards, Richtlinien und sonstige Vorgaben für kapitalistisches Wirtschaften sein müssen, um Interessen der Allgemeinheit, die nicht in Profit aufgewogen werden können (z.B. Klimaschutz, Saubere Umwelt, Soziales, etc) zu wahren.
Der Streitpunkt unter Demokraten ist dann eher die Nivellierung der einzelnen Aspekte.
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Chief Wiggum
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Re: Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre...

Beitrag von Chief Wiggum »

htw89 hat geschrieben: Fr 12. Apr 2024, 16:29 Vielleicht muss man auch einfach den Kapitalismus an sich weltweit beseitigen, um die Demokratie zu erhalten. :gruebel:
Wie kommt man denn auf das schmale Brett? :rolleyes:
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htw89
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Re: Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre...

Beitrag von htw89 »

War auch mehr hypothetisch gemeint. Als ob der Kapitalismus realistisch betrachtet abgeschafft werden könnte und dann auch noch weltweit.
Das hätte noch ganz andere Verschiebungen zur Folge und es bleibt immer noch die Frage "was dann" und ob das so wünschenswert wäre. Ist zu bezweifeln. Da wird kaum weltweit Einigkeit entstehen, Ungleichheiten bleiben und bei alledem sind wir in Deutschland und in Europa immer noch in einer vergleichsweise privilegierten Lage im Vergleich zum Rest der Welt.

Dennoch:
Dieses Land kommt einem nur allzu oft als familienfeindlich vor und krank wird man am besten auch nicht vorm Rentenalter. Deutschland ist für Senioren und ihre Erben gemacht, aber nicht für Leute, die sich aus ihrer Arbeit heraus selbst etwas aufbauen möchten. Ich sehe, wie schlecht es vielen jungen Eltern geht, wie sie sich praktisch prostituieren müssen um in manchen Landstrichen an einen Kitaplatz zu kommen, ich sehe, wie schlecht es Leuten mit Krankheiten wie Long/Post Covid geht während wirkungslose Zuckerkügelchen anstandslos von den Kassen gezahlt werden und ich sehe persönlich wie es selbst im gehobenen Dienst zunehmend schwerer wird, eine Familie durchzubringen. Als Alleinverdiener ohnehin. Wohneigentum ist da schon ein kühner Traum, kaum noch realistisch aus eigener Wirtschaftskraft.
Zuletzt geändert von htw89 am Fr 12. Apr 2024, 19:43, insgesamt 2-mal geändert.
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DH0GHU
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Re: Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre...

Beitrag von DH0GHU »

Alles unter "Dennoch" ist ja richtig, aber schau mal, wie viele von den Ländern, in denen es NICHT schlechter ist als hier, sozialistisch geprägt sind ;)

Das eigentliche Probleme sehe ich in der Entsolidarisierung sehr hoher Einkommen und mitunter auch einem falsch verstandenen Sozialstaatsgedanken. Die Kritik, dass es einem Arbeitnehmer besser gegen muss als einem Transferleistungsbezieher, ist ja absolut richtig - wobei dann auch sicher gestellt sein muss, dass die fehlende "Lücke" nicht nur durch Dumpinglöhne generiert wird.
Zuletzt geändert von DH0GHU am Fr 12. Apr 2024, 18:18, insgesamt 1-mal geändert.
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Nicoco
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Re: Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre...

Beitrag von Nicoco »

htw89 hat geschrieben: Fr 12. Apr 2024, 18:11 Dennoch:
Dieses Land kommt einem nur allzu oft als familienfeindlich vor und krank wird man am besten auch nicht vorm Rentenalter. Deutschland ist für Senioren und ihre Erben gemacht, aber nicht für Leute, die sich aus ihrer Arbeit heraus selbst etwas aufbauen möchten. Ohne Vermögen in der Hinterhand heißt es nur allzu oft, verschulde dich immer mehr um auch nur einigermaßen deinen Lebensstandard von vor 5 oder 10 Jahren halten zu können. Ich sehe, wie schlecht es vielen jungen Eltern geht, wie sie sich praktisch prostituieren müssen um in manchen Landstrichen an einen Kitaplatz zu kommen, ich sehe, wie schlecht es Leuten mit Krankheiten wie Long/Post Covid geht während wirkungslose Zuckerkügelchen anstandslos von den Kassen gezahlt werden und ich sehe persönlich wie es selbst im gehobenen Dienst zunehmend schwerer wird, eine Familie durchzubringen. Als Alleinverdiener ohnehin. Wohneigentum ist da schon ein kühner Traum, kaum noch realistisch aus eigener Wirtschaftskraft.
Korrekt, aber an dem ist nicht unser grundlegendes Wirtschaftssystem schuld, sondern die vergangene und aktuelle Politik, die vieles verschlafen hat oder auch teilweise weiter verschläft.
Im Sozialismus geht’s dann halt allen gleichermaßen dreckig aber nur ganz ganz wenigen besonders gut.
Zuletzt geändert von Nicoco am Fr 12. Apr 2024, 18:30, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre...

Beitrag von DH0GHU »

Nicoco hat geschrieben: Fr 12. Apr 2024, 18:17 Im Sozialismus geht’s dann halt allen gleichermaßen dreckig aber nur ganz ganz wenigen besonders gut.
https://www.ulistein-onlineshop.de/de/k ... armut-alle
https://www.catprint.de/produkt/3722/

;-)
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Re: Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre...

Beitrag von htw89 »

DH0GHU hat geschrieben: Fr 12. Apr 2024, 18:16 Das eigentliche Probleme sehe ich in der Entsolidarisierung sehr hoher Einkommen und mitunter auch einem falsch verstandenen Sozialstaatsgedanken. Die Kritik, dass es einem Arbeitnehmer besser gegen muss als einem Transferleistungsbezieher, ist ja absolut richtig - wobei dann auch sicher gestellt sein muss, dass die fehlende "Lücke" nicht nur durch Dumpinglöhne generiert wird.
In so einem reichen Land sollte es zumindest dafür reichen, dass die Leute ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen haben und eine Perspektive, dass sie aus eigener Leistung ihr Leben verbessern können. Dieses Versprechen gilt aber nicht mehr, dass Leistung sich lohnt. Das fing schon mit Hartz IV und dem sogenannten Aufstocken an.

All zu oft entscheidet heute auch wieder die Herkunft über Chancen. Da war man hier einfach schonmal weiter in der Durchlässigkeit.
Zuletzt geändert von htw89 am Fr 12. Apr 2024, 21:21, insgesamt 2-mal geändert.
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Habakukk
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Re: Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre...

Beitrag von Habakukk »

Ich denke, grundsätzlich ist unser System hier schon das Beste, was man haben kann. Soziale Marktwirtschaft in einer Demokratie!

Das ist weder Sozialismus noch totaler schrankenloser Kapitalismus, und sollte dazu führen, dass sich Leistung und Wettbewerb einerseits lohnt, dass aber anderseits niemand im Stich gelassen wird und grundsätzlich erst mal alle die gleichen Chancen haben sollten.

Da ist aber halt einiges aus den Fugen geraten und ich habe manchmal das Gefühl, dass man es gerade dort, wo es Regulierung bräuchte, laufen lässt, dafür andernorts, wo ein gesunder Wettbewerb hilfreich wäre, mit zu hoher Regulierung alles abwürgt.

Es ist allerdings auch schwierig, denn heutzutage kann man unser Land nicht mehr losgelöst vom Rest der Welt betrachten und andere, nicht-demokratische autoritäre Staaten wie China haben da halt andere Möglichkeiten als wir hier.

Es gibt sicher einiges, das die Politik hierzulande falsch macht. Aber bei vielen Dingen, die v.a. mit der Globalisierung zu tun haben, bin ich mir nicht sicher, ob diese sich aufhalten lassen.

Wahrscheinlich müssen wir uns daran gewöhnen, dass wir nicht dauerhaft vorne mitspielen können.
RF_NWD
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Re: Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre...

Beitrag von RF_NWD »

Ein Thema, das uns in den nächsten Jahren um die Ohren fliegen könnte, ist die zunehmende Altersarmut in Deutschland. Was jetzt schon in weiten Teilen Ostdeutschlands Hintergrund der Erfolge der AFD ist, schwappt immer mehr auch in die Gebiete des Westens rein, die einen hohen Altersdurchschnitt haben und von Abwanderung geprägt sind.
Die NOZ geht dem Thema seit einiger Zeit intensiv nach. Heute ein Interview mit dem Chef der Tafeln in Deutschland:
www.noz.de/deutschland-welt/politik/art ... n-46801381
www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/t ... n-100.html

Die Folgen der Schröderschen Agenda (Anwachsen des Niedriglohnsektors) und der Rentenreformen werden immer deutlicher.
Mittlerweile sind ein Viertel der Personen, die zur Tafel kommen, im Rentenalter. Sie beziehen geringe Renten oder Grundsicherung. Seit mehreren Jahren schon nimmt der Anteil der Seniorinnen bei den Tafeln zu. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine und den damit einhergegangenen Preissteigerungen für Energie, Lebensmittel und so weiter haben etwa ein Drittel aller Tafeln nochmal mehr Rentnerinnen und Rentner unter ihren Kunden. Die aktuelle Rentenpolitik geht an der Lebenswirklichkeit vieler Menschen vorbei.
In dieser Immer größer werdende Zielgruppe wirbt nicht nur die AFD, sondern auch neuerdings auch Sarah Wagenknecht mit ihrem BSW. Der Zusammenhang von AFD Erfolgen mit dem Altersmedian einer Region ist in den
Studien von Bertelsmann eindeutig zu sehen. Junge Städte wie Osnabrück oder Münster, aber auch ländlich-katholische Bereiche mit junger Bevölkerung und recht hohem Wohlstand sind dafür nicht so anfällig.
RF_NWD
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Re: Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre...

Beitrag von RF_NWD »

Persönlich ist mir das Thema auf unerer letzten Eigentümerversammlung begegnet, als es um Zukunftsinvestionen und um die Erhöhung der Rücklagen der Gemeinschaft ging. Letzteres tut den beiden alten Frauen in den Achtzigern verdammt weh. Eigene Mini Rente und Witwenrente zusammen reichen nur noch für das Nötigste.
Mit meiner Stimme und einem Kompromißvorschlag konnten wir gerade so eine Mehrheit für die Aufstockung der Instandhaltungsrücklage erreichen. Erneuerung der Fenster wäre wichtig, aber den Zuschussanteil können die beiden nicht stemmen. Da feht es an Rücklagen. Wenn dann von jemand, der die Wohnung als reine Kapitalanlage hat, der Einwand kommt: "Dann müssen sie eben einen Kredit aufnehmen ", wird es heikel. Die eine war fast den Tränen nahe.
Wenn dazu noch Vorschläge in Bezug auf Solaranlage auf dem Dach gemacht werden und Genehmigung einer Loggia wird die Spaltung sichtbar.
Der Interessenkonflikt zwischen denen, die irgendwie noch ihren Standard mit der eigenen Wohnung halten möchten und den Zukunftsorientierten, die den Wert der Immobile steigern wollen, wurde sehr deutlich.
Dabei wurden das Thema "Zukunft der Gebäudeheizung " oder Glasfaser-Anschluss, was auch irgenwann mal auf den Tisch kommen muss, noch nicht mal angesprochen.
Ich kann mich in die Konflikte gut hineinversetzen, weil ich mich in beiden Lagern befinde. Ohne den Rückhalt der vom Vater geerbten Wohnung und die durch Hausverkauf zusammen gekommen Kapitaldecke fürs Alter würde es mir genauso gehen wie den beiden Frauen. Wenn man der familiären Unterstützung über Jahre den Vorrang gegenüber dem Berufsleben gegeben hat, wirkt sich das eben auf die eigene Rente aus.

Meine soziale Verantwortung aus dem Erbe und das Hinsehen hat mich aber zu Weihnachten dahin gebracht, den Tafeln in Stadthagen und Osnabrück Spenden zukommen zu lassen. Wie aber schon aus dem Interview deutlich wurde, reicht dies allein nicht aus. Der Staat darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen.

Und andererseits versuche ich eben noch so lange weiter zu arbeiten, wie es mir möglich ist. Es können sich nicht alle aus unserer "Boomer" Generation so einfach aus dem Staub machen., wenn nichts mehr nachkommt. Und in ein "Rentnerloch" ohne Aufgabenkatalog möchte ich auch erstmal nicht fallen.
DH0GHU
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Re: Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre...

Beitrag von DH0GHU »

Das Thema Rente ist sowieso Dogmatismus pur.
Zum Einen: Natürlich muss ich mir JETZT schon Gedanken mache, wie ich das, was ich mir jetzt aufbaue, auch nach dem Renteneintritt halten kann. Ansonsten kann ich es mir nicht aufbauen - oder muss es verkaufen. Was natürlich im hohen Alter allein schon psychisch gar nicht mehr so einfach ist, von der notwendigen Kraftanstrengung mal ganz abgesehen. Mit 80 wuppt man meist keine Möbel mehr.

Und dann: Das Rentensystem ansich ist, wie alle Sozialversicherungssysteme, eines der Systeme in Deutschland, in dem eine Entsolidarisierung der Reichen systemimmanent ist. Wer ein Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze (oder außerhalb der Bemessungsgrundlage, z.B. Kapitalerträge) bezieht, kann von diesem Mehreinkommen natürlich problemlos eine Altersvorsorge aufbauen.
Da man gleichzeitig auch nicht 20 € pro Stunde für jeden Hilfsarbeiter-Job zahlen kann/will (die höhere Rente würde dann eben nicht mehr reichen, um einfache Dienstleistungen zu bezahlen, die auch Rentner benötigen), bräuchte man zum Einen einen Wegfall der Beitragsbemessungsgrenze und zum Zweiten ein Rentenmodell, bei dem die Rentenhöhe nur noch partiell von der Lebensarbeitsleistung abhängt. z.B. in der Art "Basisrente + N x Log(Lebenseinzahlungssumme)" - und die Basisrente selbst muss schon das Existenzminimum absichern. Dann bekommen zwar Spitzenverdiener auch noch mehr Rente als Gutverdiener - aber sie hätten schließlich auch sehr viel mehr eingezahlt.
Das wäre unterm Strich eher noch zukunftssicher als das Lotteriespiel mit der Kapitaldeckung. Denn dort besteht immerhin das Risiko, ausgerechnet zum Zeitpunkt eines Börsencrashs in die Rente zu gehen - und dann steht der Rentner doch wieder vor dem Nichts. Im Alter zählt nunmal Sicherheit über alles.

Das gleiche Problem haben wir bei der GKV. Warum muss es dort eine Beitragsbemessungsgrenze geben, bei der nur die Gering- bis Normalverdiener einen erquicklichen Anteil ihres Einkommens zahlen? Heute liegen Hochschulabsolventen teils schon in den ersten Berufsjahren über der Beitragsbemessungsgrenze - ist die dann wirklich noch mit Augenmaß ermittelt worden? Für Gutverdiener bedeutet eine etwas höhere Beitragsbemessungsgrenze im Rentenalter eine Kreuzfahrt weniger aus dem Ersparten, für Geringverdiener wäre ein Prozentpunkt weniger Beitrag vielleicht das fehlende Geld, um auch noch am Monatsende nicht vor einem leeren Kühlschrank zu stehen.

Und was das Thema Lebensarbeitszeit betrifft: Die harte Grenze von 67 finde ich sowieso bescheuert. Ein gleitender Übergang, der dann, wenn man möchte, auch später sein darf, wäre hier weit besser. Mir sind schon genug Fälle von Leuten begegnet, die gerne nach dem 67. in ihrem Job weiter arbeiten möchten oder es auch tun - vielleicht nicht in Vollzeit, aber zumindest in Teilzeit bzw heute dann oft selbständig. wenn sowas Standard wäre, wäre es auch nicht weiter schlimm, Menschen mit körperlich harten Jobs etwas früher gehen zu lassen.
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Re: Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre...

Beitrag von PAM »

Das Risiko bei der börsennotierten Rente würde vollumfänglich beim Anleger liegen - den künftigen und den gegenwärtigen Rentnern. Somit wäre die Anlagerente von den Schwankungen der Märkte, allgemeinen Geldmarkteinflüssen und letztlich auch vom Fondsmanagement abhängig. Und die Anleger müssten auch die Gewinnerwartungen des Fondsmanagements mitfinanzieren - an der Börse macht niemand etwas ohne Profitanspruch. Und letztlich trüge der Anleger auch das Risiko eines Totalverlusts, ginge beispielsweise die Fondsgesellschaft wegen Spekulationen auf anderen Spielplätzen krachen. Wer also die Fondsrente fordert, der ist eiskalter Kapitalist und will primär die Risiken und Verantwortlichkeiten verlagern.

In meinem Umfeld gibt es mehrere Rentner-Beispiele. Mein Vater konnte wegen ausreichendem Grad der Behinderung mit 60 in den Ruhestand gehen, ist in seinem Leben zuvor aber auch zweimal dem Tod von der sprichwörtlichen Schippe gesprungen. Meine Mutter, fünf Jahre jünger als er, musste bis zum letzten Tag schindern. Beide gehören nicht zu den Profiteuren der Rente. Papa bekam sein Studium nicht anerkannt, nur seine Berufsausbildung. Er musste jahrelang auf Montage fahren, um sich auf der Gehaltsliste zu halten. Die freiwillig gezahlte DDR-Zusatzrente wurde von der Bundesrepublik entschädigungslos und ohne irgendwelche Anrechnung einkassiert. Meiner Mutter wurde ihr Studium ebenfalls nicht anerkannt, sie machte es nach der Wende mit einer Mischung aus Abendschule und Fernstudium noch einmal. In dieser Zeit blieb sie zwar weiterhin bei der Gemeinde im Kindergarten angestellt, wurde aber bis zum zweiten Studienabschluss als ungelernte Kraft lausig bezahlt. Beide zusammen kommen zurecht - insbesondere wegen der noch sehr moderaten Wohnungsmiete.

Die Nachbarschaft hat hier allerdings noch andere Beispiele: Nachbarin Gabi ist eigentlich mit 65 in Rente gegangen, kann ihren bescheidenen Lebensstandard aber nur mit fortgeführter geringfügiger Beschäftigung halten. Ein anderer, jahrelang Bauarbeiter und wegen kaputter Knochen noch mit Mitte 50 zum Fleischer umgeschult, kann sich jetzt mit 60 kaum noch auf den Beinen halten. Beidseitig künstliche Hüftgelenke, eins davon hat sich zum zweiten Mal gelöst und macht höllische Schmerzen. Der klagt vor dem Sozialgericht - nach "zu lange krank" fiel er durch die Maschen des Sozialnetzes in die Grundsicherung. Ich sehe den in seinem Zustand nicht mehr arbeiten - trotzdem ihn "die Agentur" immer wieder in den Einzelhandel vermitteln will. Auch er hat Glück mit der preiswerten Miete und kommt so halbwegs über die Runden.
🎧📺📻📡
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Re: Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre...

Beitrag von htw89 »

Ich bau darauf, das Rentenalter gar nicht mehr zu erreichen :D ;) Lieber das Leben heute leben als darauf zu hoffen dass einem ein sorgenfreier Lebensabend vergönnt sei. Yolo.
Auf dem Papier komm ich mit Betriebsrente zusammen auf ungefähr 75% meines derzeitigen Nettogehalts. Könnte knapp reichen, sofern nicht irgendwelche teuren Schicksalsschläge passieren. Aber ich würde nicht darauf bauen, dass dieses Rentensystem noch über 30 Jahre weiterhin Bestand hat. Geschweige denn das Leben in diesen Breiten in 30 Jahren noch erträglich ist. Eher richte ich mich darauf ein dass meine Generation jetzt zahlreiche Lasten aufgebürdet bekommt und am Ende wenig davon haben wird, es sei denn man gehört zu denen, die reich erben. Man kann es Schwarzmalerei nennen, aber ich wüsste auch nicht was einem nun die Hoffnung geben sollte, dass alles gut ausgeht.

Ich denke aber auch, dass das Rentensystem noch nie besonders fair oder solidarisch war. Meinem Vater haben sie schon in den 80ern vorgerechnet dass es sich für ihn als Selbstständigen nicht lohnt weiter in die Rente einzuzahlen. Also ließ er es bleiben und investierte stattdessen in eine zweite Immobilie, hatte eine Lebensversicherung die zum Rentenbeginn ausgezahlt wurde und hat halt seinen Handwerksbetrieb bis zur Rente aufrecht erhalten. Das war ganz sicher auch nicht immer einfach und ich kann mich an jahrelange Montage im Osten erinnern. An Rente bekommen die Eltern nicht besonders viel, das alleine würde für die Ernährung reichen, aber sicher nicht für die Aufrechterhaltung der bewohnten Immobilie. So leben sie dann heute von Vermietung und dem Verkauf der zweiten Immobilie und haben im Schnitt selbst nach Abzug von Krankenversicherung etc. zu zweit mehr Budget im Monat zur Verfügung stehen als wir.
Zuletzt geändert von htw89 am Sa 13. Apr 2024, 13:45, insgesamt 1-mal geändert.
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