Ukraine, Russland & Co: Seid ihr besorgt?

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frank.koriander
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Re: Ukraine, Russland & Co: Seid ihr besorgt?

Beitrag von frank.koriander »

Jetzt liegen in der Ukraine die Nerven komplett blank.

https://www.fr.de/politik/ukraine-krieg ... 08961.html

Gestern gab es auch einen kritischen Bericht in der heute-Sendung im ZDF über den zunehmenden Protest von Frauen, die ihre Männer von der Front zurückhaben wollen, nach bald 2 Jahren zumindest mal für einen Fronturlaub. Die meisten Soldaten sind erschöpft, am Ende, sie können nicht mehr. Und die Ukraine hat einfach zu wenig Ersatz, um sie auf Zeit zu ersetzen. Tenor: "Die haben kein Leben mehr".

https://www.tagesschau.de/ausland/asien ... n-164.html

Hersh will mal wieder was aufgedeckt haben. Nee, glaube ich nicht dran, wobei ich es auch als den einzig sinnvollen Ausweg aus diesem Schlamassel ansehe.

https://weltwoche.ch/daily/us-journalis ... iew-die-n/
frank.koriander
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Re: Ukraine, Russland & Co: Seid ihr besorgt?

Beitrag von frank.koriander »

Ist doch eh egal. Heute früh mal wieder irgendein Ex-Major im Interview bei hr-Inforadio. Er sagt, das Problem seien nicht die Lieferungen (die seien üppig und ausreichend), das Problem seien die Rekruten. Die Ukraine findet kaum noch neue Kräfte für die Front und die bestehenden sind erschöpft und am Ende, und daher in der Defensive. Dagegen habe Russland doppelt Nachschub, sowohl personell als auch an Material. Er zog ein verheerendes Bild. Die westlichen Sanktionen seien gescheitert und die Ukraine sei drauf und dran, den Krieg zu verlieren.

Immerhin warnte er nochmal vor jeglicher direkter militärischer Einmischung mit Truppen, denn der Gegner heiße Russland und damit sei der Frieden in Europa endgültig futsch. Und wenn man so schaut, verfolgt praktisch niemand dieses Ziel. Eher ist es umgekehrt: Man wird die Ukraine mehr oder weniger im Stich lassen. Wenn Deutschland und Frankreich Lücken schließen würden, die z.B. die Slowakei oder die Niederlande hinterlassen, könnte dies auch in diesen beiden Ländern zu politischen Umbrüchen hin zu rechts führen. Recht hat er!

Nur wie geht es weiter? 5 Jahre lang mit ansehen, wie die Ukraine so langsam untergeht ist dann doch auch keine Alternative. Es fehlt im Moment wirklich mal der Ruck, beide Kriegs-Parteien wieder an den Verhandlungstisch zu bringen. Durch eine Allianz der neutralen Staaten wie die Türkei, Brasilien, Indien etc. Aber da die Augen derzeit zu 80% auf den Nahen Osten gerichtet sind, geschieht da nix.
abckatze
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Re: Ukraine, Russland & Co: Seid ihr besorgt?

Beitrag von abckatze »

Es fehlt im Moment wirklich mal der Ruck, beide Kriegs-Parteien wieder an den Verhandlungstisch zu bringen.
Um Verhandlungen mit Putin aufnehmen zu können, muss die militärische Unterstützung der Ukraine gesteigert werden. Alles andere ist naives Wunschdenken, was die Anzahl der Getöteten und Verwundeten in die Höhe treibt.
PAM
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Re: Ukraine, Russland & Co: Seid ihr besorgt?

Beitrag von PAM »

abckatze hat geschrieben: Mi 6. Dez 2023, 15:43Um Verhandlungen mit Putin aufnehmen zu können, muss die militärische Unterstützung der Ukraine gesteigert werden. Alles andere ist naives Wunschdenken, was die Anzahl der Getöteten und Verwundeten in die Höhe treibt.
Die Gegenseite rüstet jedoch weiter und nachhaltig auf - im kommenden Jahr mit 6 % des Bruttoinlandsprodukts für den Rüstungsetat, was einer Verdoppelung entspricht:

Berliner-Zeitung.de:
Ukraine-Krieg: Wladimir Putin will wahrscheinlich keine Verhandlungen


Unterdessen zeichnet sich ab, dass sich die USA langsam aus der bisher massiven Unterstützung der Ukraine zurückziehen werden. Zwar hat Deutschland seine Ausgaben für Waffengeschenke für das kommende Jahr quasi verdoppelt, steht aber mit Frankreich nahezu allein auf dieser Position. Löblich, dass Finnland die Produktion von in der Ukraine dringend benötigter Munition verschiedenster Kaliber intensiviert hat. Das ist aber im Verhältnis auch nur ein kleiner Posten.

Personell kämpfte und kämpft die Ukraine in deutlicher personeller Unterzahl. Die noch kampffähige Truppe ist unterdessen verschlissen, verbraucht und müde. Nach verschiedenen Berichten ukrainischer und russischer Militärblogger gibt es keine funktionierende Rotation zwischen Truppenverbänden an der Front, den rückwärtigen Diensten und ggf. mal kurzem Heimaturlaub. Rotiert wird offenbar erst, wenn eine Truppe personell so durch Verluste, Verletzungen oder Erkrankungen geschwächt ist, dass ihr Überleben an der Front in die Kategorie "Glücksspiel" fallen würde. Verschiedene Spekulationen tendieren zu der Annahme, dass zwischen ein Fünftel oder sogar ein Drittel der wehrpflichtigen Staatsbürger sich durch das Absetzen ins Ausland dem Kriegsdienst entzogen haben.

Hinzu kommt, dass den ukrainischen Bodentruppen die Unterstützung durch eine Luftwaffe fehlt. Das Gegenteil ist der Fall, die Lufthoheit ist in der Hand des Feindes und wenn irgendwas fliegt, dann handelt es sich mehrheitlich entweder um russische Hubschrauber, Einweg-Drohnen oder feindliche Artillerie. Hinzu kommen bewaffnete Drohnen, die kleine Kampfgruppen oder auch Einzelkämpfer in ihren Deckungen ausfindig machen und gezielt ausschalten. Dort kommt mittlerweile KI in der Steuerung zum Einsatz, die nicht vor dem Erreichen des Einsatzziels aufgibt.
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abckatze
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Re: Ukraine, Russland & Co: Seid ihr besorgt?

Beitrag von abckatze »

PAM hat geschrieben: Do 7. Dez 2023, 08:26Die Gegenseite rüstet jedoch weiter und nachhaltig auf - im kommenden Jahr mit 6 % des Bruttoinlandsprodukts für den Rüstungsetat, was einer Verdoppelung entspricht:
2022 lag der Anteil der Militärausgaben Russlands am BIP bei 4% und der von den USA bei 3,4%.
Kleiner aber feiner Unterschied: Das Bruttoinlandsprodukt Russlands lag damals bei 2.244 Milliarden USD, das der USA bei 25.462 Milliarden USD.

PAM hat geschrieben: Do 7. Dez 2023, 08:26Zwar hat Deutschland seine Ausgaben für Waffengeschenke für das kommende Jahr quasi verdoppelt, steht aber mit Frankreich nahezu allein auf dieser Position.
Die Verwendung des Begriffs "Waffengeschenke" impliziert, dass Deutschland das aus reiner Gutherzigkeit machen würde. In Wirklichkeit geht es um unsere eigenes Interesse einen Angriff Russlands auf EU- bzw. NATO-Staten zu verhindern. Ein solcher wäre wesentlich wahrscheinlicher, falls man die Ukraine nicht militärisch unterstützen würde.
frank.koriander
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Re: Ukraine, Russland & Co: Seid ihr besorgt?

Beitrag von frank.koriander »

Was ihr sagt, ist zwar alles richtig. Aber ich sehe ein ganz großes Problem, und das ist (zum Glück) unsere Demokratie. Sollten tatsächlich die USA und weitere Länder wie die Niederlande aufgrund der politischen Situation ihre Ukraine-Hilfe einstellen und sollten dann z.B. Frankreich und Deutschland noch mehr liefern, um diese Lücken zu schließen, also noch viel mehr Geld für diesen Krieg ausgeben, dürfte dies mittelfristig zu noch größerem Unmut in der Bevölkerung führen. Erst recht, wenn dann Geld für vieles anderes, z.B. Infrastrukturprojekte, fehlt.

Würde es durch die Waffenlieferungen wenigstens sichtbare Erfolge durch die ukrainische Armee geben. Aber so ist es ein brutaler Abnutzungskrieg und nicht nur ich sehe eben einen Vorteil bei Russland. Putin kann die Sache in aller Ruhe aussitzen, der Unmut gegen diesen Krieg in der Bevölkerung bleibt im Inneren. im Westen dagegen wird dies zu weiterem Rechtsruck führen. In Frankreich dürfte Le Pen das Ruder übernehmen. In Deutschland dürfte es zu weiterem Aufstieg der AfD führen, diese liegt laut Spiegel-Umfrage im Osten inzwischen bei 32% und damit deutlich vor der CDU!!

Unter diesen Umständen ist fraglich, wie lange die Allianz der "Putin darf den Krieg nicht gewinnen" und "Unterstützen, solange es nötig ist"-Fraktion hier durchhält.

Das Schreckensszenario eines russischen Angriffs auf die NATO oder NATO-Staaten sehe ich nicht und sah ich nie. Das ist Schwachsinn, denn die russische Armee kann ja nicht mal in der Ukraine nennenswerte Erfolge vorweisen. Der Ausruf eines Bündnisfalls wäre ein Selbstmord-Kommando. Was werden die baltischen Staaten froh sein, dass sie rechtzeitig in die NATO eingetreten sind.

Wahrscheninlicher halte ich einen Angriff auf Moldau. Dort gibt es ja jetzt schon Säbelrasseln und dort könnte Russland mit ähnlicher Argumentation wie in der Ukraine vorgehen.
Zuletzt geändert von frank.koriander am Do 7. Dez 2023, 11:52, insgesamt 1-mal geändert.
abckatze
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Re: Ukraine, Russland & Co: Seid ihr besorgt?

Beitrag von abckatze »

frank.koriander hat geschrieben: Do 7. Dez 2023, 10:20Das Schreckensszenario eines russischen Angriffs auf die NATO oder NATO-Staaten sehe ich nicht und sah ich nie.
Das Szenario eines offenen Angriffs auf die komplette Ukraine wurde vor dem 24.02.22 genau so eingeschätzt.
frank.koriander hat geschrieben: Do 7. Dez 2023, 10:20Der Ausruf eines Bündnisfalls wäre ein Selbstmord-Kommando. Was werden die baltischen Staaten froh sein, dass sie rechtzeitig in die NATO eingetreten sind.
Wenn Trump an der Macht wäre, dann könnte die Situation anders sein.
PAM
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Re: Ukraine, Russland & Co: Seid ihr besorgt?

Beitrag von PAM »

Mit dem Begriff "Waffengeschenke" ist ausgedrückt, dass es sich nicht um klassische kaufmännische Zug-um-Zug-Geschäfte im Sinne von Bestellung, Lieferung und Bezahlung handelt. Unter dem Strich bekommt die Ukraine auf ihre Forderungen geliefert, was an Waffen und Munition gewollt und halbwegs verfügbar ist und mit dem die waffenliefernden Länder sicherstellen, dass mit ihnen nach Möglichkeit nicht allzu weit hinein ins russische Binnenland operiert werden kann. Insofern sind die klassischen Merkmale eines "Stellvertreterkriegs" doch eigentlich gegeben? Fremde statten eine Streitmacht mit militärischem Material aus, um damit gegen einen Feind zu operieren. Dass dem der russische Angriff auf das ukrainische Staatsgebiet vorausging, ist unstrittig, ändert aber an der Definition nichts.

Nicht nur die USA fordern von den NATO-Mitgliedsländern eine deutliche Steigerung des Rüstungsetats. Dem hat die derzeitige Bundesregierung zwar nicht vollumfänglich entsprochen, die Rüstungsausgaben sind aber dennoch deutlich gestiegen. Darin ist noch nicht eingepreist, was man derzeit und künftig an die Ukraine zu liefern gedenkt. Ich befürchte auch, dass nicht nur dieser, sondern auch der kommende Bundeshaushalt einer intensiven Prüfung durch Bundesrechnungshof und Bundesverfassungsgericht nicht standhalten. Das wiederum reißt Finanzlöcher in Einzeletats, die deshalb entweder komplett in sich zusammenfallen oder in denen massiv gekürzt oder von anderer Stelle umgebucht werden muss. Vielleicht emittiert man auch alsbald wieder Kriegsanleihen?

Feststellen muss man aber dennoch, dass die Bundeswehr - von der Bundesmarine über die Luftwaffe bis hin zum Heer - und einschließlich der rückwärtigen Dienste, vorsichtig formuliert "deutlich verbesserungswürdig" ausgestattet und ausgerüstet sind. Nicht nur materiell, nicht nur hinsichtlich der zahlreich deutlich heruntergekommenen Liegenschaften, nicht nur bei der Personalausstattung. Und noch ist nicht durchgesickert, wo bzw. in welchem Umfang der unvermeidlich kreisende Rotstift in den kommenden Haushaltsjahren ansetzen wird. Zu befürchten ist nicht nur, dass viele der aus dem Wahlkampf behaltenen oder danach gemachten Politikversprechen auf der Strecke bleiben, sondern dass Investitionen in die Infrastruktur, in die zukunftssichere Energieversorgung, die Sicherung industrieller Zukunft sowie dem Erhalt von Arbeitsplätzen und einem gewissen Volkswohlstand sowie der damit verbundenen Lebenszufriedenheit weiterhin gefährdet bzw. sogar vorsätzlich weggegeben werden.

Dass das Wahlvolk dabei nicht zuschaut, sondern ein wachsender Teil sprichwörtlich "mit den Füßen abstimmt", darf nicht verwundern. Zwar mault der gemeine Deutsche für gewöhnlich recht lange und tut dennoch nichts, wenn hier aber das allgemeine Sicherheitsgefühl schwindet, muss es irgendwann unruhig werden. Das beginnt bei "no go areas", in denen die Polizei nur in Einsatzhundertschaftsstärke auftreten kann und in den Gruppen von Böller- und Steinewerfern, Messerstechern und ähnliches Pack die Macht der Straße an sich zu reißen sucht. Zum Sicherheitsgefühl gehört für mich auch, nicht um das eigene Zuhause und nicht um den bescheidenen persönlichen Wohlstand bangen zu müssen. An letzterem darf sich derzeit verdeckt und immer mehr auch ganz offensichtlich bedient werden, die Enteignung des so genannten "gesellschaftlichen Mittelstands" ist in vollem Gange.
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zerobase now
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Re: Ukraine, Russland & Co: Seid ihr besorgt?

Beitrag von zerobase now »

abckatze hat geschrieben: Do 7. Dez 2023, 10:50 Wenn Trump an der Macht wäre, dann könnte die Situation anders sein.
Könnte kannste streichen. ;)
Wenn das so kommen sollte, dann wirds brenzlig. :heul: :(
Daher verstehe ich auch nicht, wieso man in Europa so lethargisch reagiert. Ohne die Unterstützung der USA steht Europa ziemlich blank da. :p :eek:
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Re: Ukraine, Russland & Co: Seid ihr besorgt?

Beitrag von RADIO354 »

Die USA war mal der " Weltgendarm " Die Ideale Win- Win Situation gerade für Westeuropa, so war man Sicher eingepackt.
Bis " Amerika first " kam. Und von den USA die Polizeijacke an den Nagel gehängt wurde. Welch Gewinn für Andere, die Jahrzehntelang Richtung
Washington geknurrt hatten. Die Hauen freiwillig ab, die Amis. Schier unglaublich. Fast wie `89 als Honecker schlagartig verschwunden wurde,
frank.koriander
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Re: Ukraine, Russland & Co: Seid ihr besorgt?

Beitrag von frank.koriander »

Der größte Fehler war die Erwartungen an die so genannte "Gegenoffensive". Ich fand es schon immer daneben, wie da mit einer unfassbaren Überheblichkeit und Arroganz im Westen argumentiert und die Erwartungen hochgeschraubt wurde. Wir liefern Panzer und Munition, und ihr marschiert dann locker bis auf die Krim vor. Natürlich haben Selenskyj und Konsorten ins gleiche Horn gestoßen.

Immerhin bemerke ich einen Unterschied in der Diskussion, und das betrifft quasi alle Foren. Diese überhebliche Arroganz, gepaart mit "sich über die Russen lächerlich machen" hat ganz stark nachgelassen. Fast genauso stark wie die Militärhilfen ;)

Was in meinen Augen am wichtigsten ist, das ist die weitere Unterstützung der Ukraine mit Abwehrsystemen, auch um die Zivilbevölkerung zu schützen. Hier darf man nicht nachlassen, denn das wäre fatal.
Zuletzt geändert von frank.koriander am Do 7. Dez 2023, 17:38, insgesamt 1-mal geändert.
PAM
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Re: Ukraine, Russland & Co: Seid ihr besorgt?

Beitrag von PAM »

Einfach zu pauschalisieren, das ist zu kurz gegriffen. Ich hatte Anfang 2022, kurz nach dem Einmarsch erster russischer Verbände, die Aussage gemacht, dass mir der russische Fortschritt angesichts der anfänglichen personellen und materiellen Überlegenheit sowie mit dem Überraschungseffekt auf der eigenen Seite, viel zu langsam ging. Mit den Kräften und Fahrzeugen, die zur fadenscheinigen Tarnung an einer gemeinsamen Militärübung mit Weißrussland zusammengezogen wurden, hätte ich das Vorrücken und die Einnahme Kiews in etwa drei Wochen erwartet. Auch wenn ich nicht daran glauben mag, dass der ukrainische Geheimdienst tief und fest geschlafen hatte und auch die Militärführung nichts ahnte, brauchte die Ukraine erstmal eine Blitz-Mobilmachung, musste das vorhandene Waffengeraffel aus den Arsenalen holen und sich in Position bringen. Alte Weisheit: "Wer in der Offensive ist, der bestimmt, wohin die Schlacht geht."

Vorteile der ukrainischen Kräfte in den ersten Wochen waren anzunehmende bessere Orts- und Geländekenntnisse sowie die Tatsache, dass sie wohl mehrheitlich hinter der Sache standen. Zumindest in den ersten Monaten kam noch die breite Unterstützung aus der Bevölkerung dazu. Diese bröckelte mit mehr und mehr zerstörten Dörfern und Städten, den daraus resultierenden Flüchtlingsströmen innerhalb des Landes und über die Landesgrenzen zunächst in die Nachbarländer. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zur Hälfte der ukrainischen Zivilbevölkerung, die arbeitsfähig aber nicht wehrpflichtig ist, das Land verlassen hat. Zurück blieben die, die krank oder in fortgeschrittenem Alter waren und sind.

Der anfängliche Mangel an irgendwie allem, und davon berichteten Militärblogger beider Seiten, wurde gerade von den Ukrainern zeit- und phasenweise durch eine unkonventionelle Art der Einsatztaktik teilweise erstaunlich gut kompensiert. Sie waren die ersten, die mit online zusammengekauftem Material Drohnen für Aufklärung, Spionage und einfache Formen einzelner Angriffshandlungen einsetzten. Aus wenigen 100 m über Lagern des Feindes kleine Granaten auszuklinken und selbst in offene Turmluken russischer Panzer fallen zu lassen, war bereits im Frühjahr 2022 auf Youtube in Videos zu sehen. Dass man heute mit zivilen Technologien, beispielsweise der Drohnensteuerung über WLAN oder der Positionsbestimmung über GPS nicht mehr arbeiten kann, das ist bereits länger so. Entlang der Front, entlang der befestigten und mit Minen gesicherten Stellungen und Pufferstreifen, wird alles breitbandig zugestört. Dort gehen optische Kommunikationsverbindungen auf kurzen Distanzen noch, beispielsweise über Infrarot oder über Laser.

Die Luftabwehr ist inzwischen recht weit aufgerüstet, hat aber für jeden Abschuss immense Kosten. Eine für kaum mehr als 1000 USD anfliegende Einweg-Drohne abzuschießen, das kostet ein Vielfaches. Vermehrt wird wohl abgewogen, ob der Abschuss sich überhaupt lohnt oder ob es wirtschaftlicher ist, die Drohne zur Wirkung kommen zu lassen. Insbesondere bei den Shahed-Drohnen, die stur auf ihr vor dem Launch vorgegebenes Ziel zufliegen, lässt sich fast immer berechnen, in welchem Bereich sie niedergehen würde und was sie dort anrichtet.

Patriot- und IRIS-T Systeme sind bereits in Einsatz mit im Ausland (primär in Deutschland) geschultem Personal, weitere davon sind zugesagt. Ihr Betrieb und die daraus resultierenden Einsatzkosten sind aber nicht ohne. Wieviel Munitionsbestand die Ukraine bekam und noch hat, sollte zu recht geheim bleiben. Die Gegenseite kann nur jeden Schuss mitzählen und hochrechnen, was vielleicht noch vorhanden ist.

Die russische Seite hat einige Zeit gebraucht zum Aufrüsten und die Wirtschaft auf eine Kriegswirtschaft umzustellen. Sie konnte Söldner auf Vertragsbasis binden und nutzt die ausländischen Kontakte, um das zuzukaufen, was man gerade braucht. Aus den anfänglichen Fehlern, beispielsweise lausig gewarteten Militärfahrzeugen und mangelhafter persönlicher Bewaffnung/Bekleidung/Schutzausrüstung, hat man gelernt. Vergleicht man Videos von Anfang 2022 und heute, so fällt die erheblich verbesserte Kleidung und persönliche Ausrüstung direkt auf.
frank.koriander hat geschrieben: Do 7. Dez 2023, 14:22 Der größte Fehler waren die Erwartungen an die so genannte "Gegenoffensive". Ich fand es schon immer daneben, wie da mit einer unfassbaren Erheblichkeit und Arroganz im Westen argumentiert und die Erwartungen hochgeschraubt wurde. Wir liefern Panzer und Munition, und ihr marschiert dann locker bis auf die Krim vor. Natürlich haben Selenskyj und Konsorten ins gleiche Horn gestoßen.

Immerhin bemerke ich einen Unterschied in der Diskussion, und das betrifft quasi alle Foren. Diese erhebliche Arroganz, gepaart mit "sich über die Russen lächerlich machen" hat ganz stark nachgelassen. Fast genauso stark wie die Militärhilfen ;)

Was in meinen Augen am wichtigsten ist, das ist die weitere Unterstützung der Ukraine mit Abwehrsystemen, auch um die Zivilbevölkerung zu schützen. Hier darf man nicht nachlassen, denn das wäre fatal.
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