Tropo ÜRWs nach Gewitter

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Jens1978

Tropo ÜRWs nach Gewitter

Beitrag von Jens1978 »

Durch eine Diskussion in diesem Thread um die Existenz von Tropo ÜRWs nach Gewitterschauern und völlig konträren Ansichten bzw. Meinungen dazu, möchte ich jetzt einen Thread dazu aufmachen. Wenn jemand etwas zufügen, bestätigen oder korrigieren könnte wäre ich sehr dankbar, denn ich weiß bis jetzt auch noch nicht 100%tig wie´s wirklich dazu kommt; es mich aber auf der anderen Seite sehr interressiert. Jetzt aber mal los. Zuerst aber einmal die grobe Diskussion:
supperhappy
Heute durch Gewitterband, welches von SW nach NO durch Deutschland zieht, sicherlich super Gewittertropo.
MHM
Wieso gibt es bei Gewitter super Tropo-Bedingungen? Tropo-DX ist an stabile Schichtungen geknüpft und Gewitter an labile Schichtungen. Das eine schließt somit das andere aus. Was bei Gewitter vorkommen kann sind gute TSC-Bedingungen, aber halt immer nur kurzzeitig. Dagegen sind gute Tropo-Bedingungen einige Stunden vor dem Gewitter durchaus möglich, wenn so etwas wie eine potentielle Instabilität mit bodennaher feuchter Luft und trockener Luft in der Höhe vorliegt. Aber Gewitter und Regengebiete selbst sind für Tropo ungünstige Wettererscheinungen.
Ich habe schon sehr oft die Erfahrung gemacht, dass nach einem Gewitter mittlere bis starke ÜRWs auftreten - somit das genaue Gegenteil. Die Entfernung zwischen Sender und Empfänger beträgt dabei meist bis zu max. 200km. Weiter entfernte Sender werden nicht sonderlich stark verstärkt, was darauf schließen lässt, dass sich eine reflektierende Schicht nur in gringerer Höhe ausbildet. Die Dauer solcher ÜRWs kann bis zu mehreren Stunden andauern.

Beispiele: Vor kurzem habe ich etwa eine halbe Stunde nach so einen Gewitterguß den Sender Habichtswald erstmalig mit DVB-T loggen und einlesen können. Der Pegel ging so stark hoch, dass sogar der Ortsender auf K.55 aus Dortmund nicht mehr empfangen werden konnte wenn die Antenne in Richtung Osten zeigte. Auf dem K.32, welcher mit einem analogen Signal aus Norden belegt ist, hatte ich mehrere Stunden eine Qualität von 100% ! Osnabrück ist bei mir das gleiche. Kommt so ganz schlecht, bei Gewitter oder starken Regen (und noch andere Faktoren die erfüllt sein müssen) steigt der Pegel stark an. Auch extremes Nahbereichstropo konnte ich früher mit dem Sender der Belgier aus Werl in etwa 15-20km Luftlinie feststellen.

Das alles ab etwa eine halbe Stunde nach solch einem Schauer wenn das Gewitter in Richtung des Senders abzieht. Wenn das Gewitter aus Richtung des Senders kommt, kann es sein, dass bereits vor dem Gewitter die Pegelerhöhung einsetzt, aber ihren Maximalwert trotzdem erst nach dem Gewitter erreicht. Allerdings treten diese Effekte nicht bei jedem Gewitter auf, es müssen weitere feine Details beachtet und erfüllt sein. Ich kann mir diese ÜRWs nur so erklären. Also:
Wenn große Hitze bzw. Wärme besteht und die Luftfeuchtigkeit noch nicht zu hoch ist und anschließend eine Gewitterfront bzw. manchmal genügt sogar ein starkes Regenband(!), rasch aufzieht, kühlt sich die Luft besonders am Boden sehr stark ab. Durch den Temperatursturz verliert die Luft an Aufnahmefähigkeit von Wasser, es bildet sich leichter Dunst/Nebel. Die Wolken ziehen nach etwa einer Stunde wieder ab und die Sonne tritt wieder hervor. In höheren Schichten wird die Luft wieder erwärmt und die Luftfeuchtigkeit sinkt dabei ab. Es bildet sich jetzt eine typische Bodeninversion aus mit allerdings nur geringer Höhe, deshalb auch bloß Nah- bis Mittelbereichstropo. Diese ÜRWs treten meist bei einem Temperaturrückgang von 10° auf ca. 22° auf, wenn vorher um die 32° waren (+/- ca. 6°) und wenn vorher trockenes Wetter vorherrschte bzw. dann sind sie stärker ausgeprägt. Aus diesem Grund werden solche ÜRWs bei den derzeitigen Wetterverhältnissen nicht so stark ausgeprägt sein. Da es sich weiterhin bloß um eine Bodeninversion in nur geringer Höhe handelt, weiß ich nicht wie strak jetzt schon kleine Gebirgszüge die Ausbreitung stören können, ich vermutet das dort die Ausbildung solcher Schichten schon gestört sein dürfte, kann es aber mit Sicherheit nicht sagen.
HAL9000

Re: Tropo ÜRWs nach Gewitter

Beitrag von HAL9000 »

Ich hab vor ein paar Jahren ähnliche Erfahrungen in der Gegend um Osnabrück gemacht. Da kam ein derartiger Gewitterwolkenbruch runter, das man keine 5m über seinen Kühler hinaussehen konnte. Ich war auf der A30 unterwegs und bin in Schleichfahrt von der Autobahn runter weil man einfach nichts mehr gesehen hat. Schliesslich stand ich und wartete das schlimmste ab, langsam wurds weniger - und das UKW- Band war voll mit Italienern...
traumzauberdx

Re: Tropo ÜRWs nach Gewitter

Beitrag von traumzauberdx »

hab bei Gewitter bisher keine guten DX Erfahrungen machen können. musste die Erfahrung machen dass die Tropo Bedingungen da absinken.
WiehengeBIERge

Re: Tropo ÜRWs nach Gewitter

Beitrag von WiehengeBIERge »

Wenn jemand etwas zufügen, bestätigen oder korrigieren könnte wäre ich sehr dankbar,
Klar :-)
Ich habe schon sehr oft die Erfahrung gemacht, dass nach einem Gewitter mittlere bis starke ÜRWs auftreten - somit das genaue Gegenteil. Die Entfernung zwischen Sender und Empfänger beträgt dabei meist bis zu max. 200km. Weiter entfernte Sender werden nicht sonderlich stark verstärkt, was darauf schließen lässt, dass sich eine reflektierende Schicht nur in gringerer Höhe ausbildet. Die Dauer solcher ÜRWs kann bis zu mehreren Stunden andauern.
Kann ich so auch bestätigen. Das ist recht häufig so, allerdings trotzdem nicht nach JEDEM Gewitter. Was mir dabei auch aufgefallen ist, sind extreme Signalstärken von Sendern im Bereich bis 200 km-
Also soweit deckt sich das alles mit deinen Beobachtungen. Was dabei aber auch durchaus mal sein kann ist bei mir, dass Sender, die sonst knapp über der Grasnabe ständig [sup]TM [/sup]gehen während dieser Nachgewitter-Tropo durchaus mal ganz weg sein können (Beispiel wäre bei mir DR P3).
Wie es dazu kommt weiß ich aber auch nicht, aber wahrscheinlich folgt ja noch eine Wissenschaftliche Erklärung ;-).

...auch wenn ich die wahrscheinlich wieder nicht kapieren werde :D;-).

Zwei Anmerkungen noch:
und das UKW- Band war voll mit Italienern...
Ich dachte hier gehts um Tropo ;-).
hab bei Gewitter bisher keine guten DX Erfahrungen machen können. musste die Erfahrung machen dass die Tropo Bedingungen da absinken.
@ Boten Anne
Es geht hier nicht um den Empfang während Gewittern, sondern danach ;-).

traumzauberdx

Re: Tropo ÜRWs nach Gewitter

Beitrag von traumzauberdx »

habe mich falsch ausgedrückt - NACH Gewittern konnte ich bisher keine besonderen / aussergewöhnlichen Empfänge beobachten.

VOR Gewittern bricht das Hoch hier zusammen, folglich verschwinden die Tropos
WÄHREND einem Gewitter knackt es auf dem Band
DANACH muss sich erst wieder alles langsam aufbauen, kurz danach geht sowieso fast gar nichts

so sind zumindest meine Erfahrungen
Jens1978

Re: Tropo ÜRWs nach Gewitter

Beitrag von Jens1978 »

dass Sender, die sonst knapp über der Grasnabe ständig TM gehen während dieser Nachgewitter-Tropo durchaus mal ganz weg sein können
Aha, klingt interessant. Mir viel auch grad noch ein, dass ich es meist besonders stark im UHF Band beobachtet habe, aber anscheinend gibt´s das auch so auf UKW. Oder sind die ÜRWs im TV (UHF) und die Unterreichweiten auf UKW?

Ich hatte auch mal etwas von solchen ÜRWs im GHz Bereich gelesen, denn was im Sat-Bereich dämpft, reflektiert für uns ja ;-) Daher ist das eigentlich zumindest in diesem Bereich sehr bekannt.
WiehengeBIERge

Re: Tropo ÜRWs nach Gewitter

Beitrag von WiehengeBIERge »

VOR Gewittern bricht das Hoch hier zusammen, folglich verschwinden die Tropos
WÄHREND einem Gewitter knackt es auf dem Band
DANACH muss sich erst wieder alles langsam aufbauen, kurz danach geht sowieso fast gar nichts
Das finde ich etwas sonderbar [sup]TM[/sup]. Passt alles, nur der letzte Punkt nicht, gerade kurz danach hab ich hier fast immer die beschriebenen Nachgewitter-Tropo, sowohl auf UKW als auch auf UHF.
Komisch, dass das so unterschiedlich sein kann...
WiehengeBIERge

Re: Tropo ÜRWs nach Gewitter

Beitrag von WiehengeBIERge »

So, ich kanns gleich nochmal praktisch testen, hier geht gerade ein Gewitter runter :D
Jens1978

Re: Tropo ÜRWs nach Gewitter

Beitrag von Jens1978 »

So, ich kanns gleich nochmal praktisch testen, hier geht gerade ein Gewitter runter
Naja, das Wetter so wie´s jetzt ist geht eigentlich nicht. Wie gesagt, meist nach Gewittern nach einer langen Wärmeperiode, wenn also noch wirklich was "passiert" wenn´s gewittert. Jetzt regnet es bloß. Keine übermäßige Abkühlung danach, kein übermäßiger Feuchtigkeitszuwachs, stärkerer Wind ... -> keine Entstehung einer ausgeprägten Luftangrenzung. Also ich würde sagen es kommt zur Zeit nichts bei raus. Oder täusch ich mich?
HAL9000

Re: Tropo ÜRWs nach Gewitter

Beitrag von HAL9000 »

@ Sebastian Budde
Ich dachte hier gehts um Tropo
Is doch alles das gleiche :D :D
Ingo-GL

Re: Tropo ÜRWs nach Gewitter

Beitrag von Ingo-GL »

Das Szenario für Tropo-ÜRW nach Gewittern, das Jens beschrieben hat, war Anfang August am Ende der Hitzewelle gut zu beobachten. Die Gewitter der ersten beiden Tage brachten noch keinen grundlegenden Wetterumschwung und in den ersten Stunden nach den Gewittern gab es in Bergisch Gladbach schönen Überreichweitenempfang aus Westen. Erst der dritte Tag brachte nachhaltige Abkühlung und das Ende der Überreichweiten.
MHM

Re: Tropo ÜRWs nach Gewitter

Beitrag von MHM »

Zunächst mal kurz ein paar Worte zur Gewitterentstehung:
Zwei wesentliche Arten von potentieller Instabilität können Gewitter auslösen: die Luft ist trocken-stabil und zugleich feucht-labil geschichtet. Wird die Luft nun gehoben (etwa am Gebirgsrand), kühlt sie sich ab und es kommt zu Kondensation, d.h. die Abkühlung geht nur noch feucht-adiabatisch weiter und irgendwann ist die gehobene Luftmasse wärmer als die Umgebungsluft. Damit erfährt sie Auftrieb und kann von alleine weitersteigen. Weitaus interessanter für Tropo-DX ist die zweite Variante: in unteren Schichten liegt feuchte Luft, darüber trockene Luft. Werden beide Luftmassen gehoben, erreicht die untere Schicht zuerst Sättigung und kühlt sich danach weniger stark ab als die Luftmasse darüber, die noch nicht gesättigt ist und sich somit trocken-adiabatisch abkühlt. Die Folge ist wiederum Labilisierung und ein Gewitter entsteht. Nur: trockene Luft über feuchter Luft ist bestens geeignet für die Entstehung von Tropo-DX. Hierzu braucht es nicht mal eine Temperaturinversion. Feuchtegradienten sind insbesondere bei hohen Temperaturen besonders DX-freundlich, daher bieten ja die Tropen so geniale Ausbreitungsverhältnisse.

Obiges Szenario erklärt also, warum es vor Gewittern manchmal gutes Tropo-DX geben kann, obwohl Gewitter selbst an labile Schichtungen gekoppelt sind. Daß es nach Gewittern auch Tropo geben kann, habe ich zwar noch nicht beobachten können, aber folgende Erklärung wäre denkbar:
mit dem Regen wird ja Feuchtigkeit aus höheren Luftschichten entfernt, dafür ist der Boden nun naß. Die bodennahe Verdunstung (vor allem wenn danach die Sonne wieder rauskommt) sorgt dafür, daß die Luft in niedrigen Schichten mit Feuchtigkeit angereichert wird, während die Feuchte in größeren Höhen zunächst relativ niedrig ist. Das kann (wie oben schon beschrieben) wieder zu angehobenen Bedingungen führen. Da jedoch die Grenze zwischen feuchter und weniger feuchter Luft relativ niedrig ist, werden die Tropo-Bedingungen auch keine allzu großen Entfernungen ermöglichen. Niedrige Erhebungen können da bereits eine wirksame Barriere bilden und das könnte erklären, warum ich in den Alpen keine Nachgewitter-Tropo-Überreichweiten beobachten kann.

Soweit meine Vermutung dazu. Um diese zu bestätigen, wären vertikale Feuchte- und Temperaturmessungen z.B. mit einem Fesselballon bestimmt sehr hilfreich.
Jens1978

Re: Tropo ÜRWs nach Gewitter

Beitrag von Jens1978 »

Die Vermutung klingt ja sehr interessant und geht in die Richtung die ich ja sowieso vermutete hatte, allerdings aufgrund meines fehlenden wissenschaftlichen Hintergrunds in diesem Bereich nicht so erklären konnte :-)
Allerdings denke ich nach einigem überlegen doch nicht, dass schon geringe Gebirge die Entstehung einer solchen Ausbreitungsart völlig verhindern. Denn auf der Strecke Kamen-Habichtswald liegen doch schon einige Höhenzüge die überwunden werden müssen. Des Weitern hat im DX Forum auch schon jemand über Gewitter ÜRWs vom Gr. Feldberg berichtet. Allerdings ist die prozentuale Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Gewitter ÜRW in höheren Gebirgen noch deutlich niedriger als sie bei "normalem" Tropo eh schon ist.

Was mir dabei noch ein- bzw. aufgefallen ist:

@Zwobot

Du sagtest, dass die Bedingungen bei dir immer vor, während und nach einem Gewitter, Regenschauer usw. immer schlechter sind. Da du aber an der Küste und somit bei zwei völlig verschiedenen und interessanten Wellenausbreitungsgebieten (fast nur über Land, fast nur über Wasser) wohnst, jetzt meine Frage: Bei welchen Verbindungen bricht der Empfang ab? Bei Sendern aus DK und S bzw. aus S.-H., also über Wasser?
schnappdidudeldey

Re: Tropo ÜRWs nach Gewitter

Beitrag von schnappdidudeldey »

Gestern (24.08.) gab es wieder eine breite Gewitterfont mit viel Starkregen im Gepäck über Mitteldeutschland.

Bild

Als die Gewitterfront die Thüringer DVB-T Sender erreichte, bakam ich in Leipzig wieder u.a das hr-Fernsehen (übrigens alle 3 Muxe störungsfrei).
Außerdem analog (ohne Rauschen) mdr Inselsberg, mdr Sonneberg, der BR und das ZDF von Hof.

Im Normalbetrieb kommt bei mir nur der DVB-T ZDF-Mux aus Thüringen ständig an, der MDR-Mux nur ab und zu.
(UHF-Antenne Ankaro DC 43, horizontal, auf Dach montiert, ohne Verstärker)
Bild
Der BR und das ZDF aus Hof kommt im "Normalzustand" ohne großen Aufwand in Leipzig nicht an.
traumzauberdx

Re: Tropo ÜRWs nach Gewitter

Beitrag von traumzauberdx »

"Du sagtest, dass die Bedingungen bei dir immer vor, während und nach einem Gewitter, Regenschauer usw. immer schlechter sind. Da du aber an der Küste und somit bei zwei völlig verschiedenen und interessanten Wellenausbreitungsgebieten (fast nur über Land, fast nur über Wasser) wohnst, jetzt meine Frage: Bei welchen Verbindungen bricht der Empfang ab? Bei Sendern aus DK und S bzw. aus S.-H., also über Wasser?"

Das muss ich mal genau differenziert untersuchen. Der Bielstein faded auch nach einem Gewitter noch munter vor sich hin, aber gerade die Nordsignale werden spürbar schwächer.

Das seh ich zur Zeit wieder. Hier ist seit Tagen nichts los, nur Regen. Schweden sehr schwach, DK deutlich weniger Balken als bei "Sonne" (=Hochdruck, leicht angehobene Bedingungen)
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