Vorteile OIRT Band

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Vonderalb
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Vorteile OIRT Band

Beitrag von Vonderalb »

Bei den vielen Ostalgie-Themen kam mir folgende Frage in den Sinn (die Antwort habe ich auf die schnelle nicht im Forum gefunden):
- Hat das ehemalige Osteuropäische OIRT Band auch technische Vorteile gegenüber unserem Westlichen UKW Band gehabt? Zum Beispiel: Niedere Frequenz, längere Wellen, bessere Reichweite?
- Das Signal war ja weniger breit und vielleicht daher weniger störanfällig, dafür waren die Frequenzen in 0,03 MHz Schritten. Hat das irgendwelche Vorteile gebracht?

Oder war der einzige Grund nur ein politischer und wirtschaftlicher Grund, wie Stärkung der heimischen Industrie und politische Abgrenzung? - was irgendwie kindisch ist. Weiss da jemand mehr?
Ich danke im Vorfeld für die Antworten.
dxbruelhart
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Re: Vorteile OIRT Band

Beitrag von dxbruelhart »

Die Reichweiten waren in der Praxis wirklich deutlich höher, trotz geringerer Leistung; die OIRT Frequenzen waren komplett frei, in Uster und in Berlin konnte ich tschechische Sender im OIRT Band empfangen; auf Guldenen ging das dauerhaft von Plzen-Krasov; in unseren UKW Band gelingt das in der Schweiz - ausser beispielsweise auf der Hulftegg - nur bei Tropo - hier auch vom Standort PLzen-Krasov.
QTH: CH-8754 Netstal, 9E 03 27 / 47N 03 50, HB3YOC
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Wolfgang R
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Re: Vorteile OIRT Band

Beitrag von Wolfgang R »

Höhere Reichweite: Ja, wenn das Band frei ist. Vergleiche mit den Frequenzen oberhalb 104MHz in den spät 80ern/früh 90ern.

Das schiebe ich auch, aber deutlich weniger auf bessere Ausbreitungsbedingungen dieser Wellen, sondern mehr auf das freie Band. Natürlich müssen die Antennen darauf angepasst sein, was schon bei Frequenzen oberhalb 104MHz und dementsprechend alter Antennen auf den Dächern ein Problem war.

Auch Japan nutzt ja einen abweichenden UKW-Frequenzbereich für FM-Rundfunk, dort sind es 76 MHz bis ursprünglich 90MHZ, nun 95 MHz.

Noch weiter unten im Frequenzband, vor allem dem Band I, überwiegen dann eindeutig die Nachteile! So wurde UKW-FM-Rundfunk in den USA zuerst auf 42–50 MHz eingeführt. Schon bald beschwerten sich die Betreiber bei der FCC wegen sehr häufiger Störungen der uns so vertrauten Tropo und Sporadic E Überreichweiten.

Somit wurde eine Verlagerung ins Band II durchgeführt und der Bereich 88–106 MHz, später bis 108 MHz, genutzt, und die ständig gestörten Kanäle im Band I an das neue Medium "Fernsehen" abgeschoben, was sich eh nicht durchsetzen wird :rp:

Wolfgang
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DXer
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Re: Vorteile OIRT Band

Beitrag von DXer »

Wolfgang R hat geschrieben: Do 21. Mär 2024, 08:56Auch Japan nutzt ja einen abweichenden UKW-Frequenzbereich für FM-Rundfunk, dort sind es 76 MHz bis ursprünglich 90MHZ, nun 95 MHz.
In Brasilien kommt inzwischen 76 bis 108 MHz zum Einsatz.
PAM
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Re: Vorteile OIRT Band

Beitrag von PAM »

Im OIRT-Band sollte die Gebäudedurchdringung infolge etwas geringerer Bauwerksdämpfung ein wenig besser sein.
Auf der Seite der Nachteile steht, Antennen für tragbare oder anderweitig mobile Geräte länger sein müssen, um anständig zu funktionieren.
🎧📺📻📡
Arne_BLN
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Re: Vorteile OIRT Band

Beitrag von Arne_BLN »

PAM hat geschrieben: Do 21. Mär 2024, 10:10 Im OIRT-Band sollte die Gebäudedurchdringung infolge etwas geringerer Bauwerksdämpfung ein wenig besser sein.
Im Umkehrschluss bedeutet das eventuell auch geringere Störungen durch Mehrwegempfang durch geringere Reflektion an Gebäuden u.ä.
Studio Leipzig
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Re: Vorteile OIRT Band

Beitrag von Studio Leipzig »

Vonderalb hat geschrieben: Mi 20. Mär 2024, 21:00 ...politischer und wirtschaftlicher Grund, wie Stärkung der heimischen Industrie und politische Abgrenzung? - was irgendwie kindisch ist.....
Hallo,

also die Stärkung heimischer Industrie würde ich als Grund ausschließen. Der Ostblock war doch im Grunde genommen eine einzige Mangelwirtschaft. Man war permanent auf Importe (auch aus westlichen Ländern) angewiesen. Was sollte da ein "eigenes Rundfunksystem" für Vorteile bringen?

In der DDR hat man auf CCIR gesetzt, weil man auch im Westen gehört werden wollte. Dass das in umgekehrter Richtung auch funktionierte hat man wahrscheinlich erstmal in Kauf genommen und diese Wirkung unterschätzt. Meiner Meinung nach hätte es ohne Westradio und Westfernsehen die Wende 1989 nicht gegeben. Dieser Aspekt kam letztes Jahr bei "100 Jahre Radio" viel zu kurz.

Aber ich schweife vom Thema ab...

MfG

Studio Leipzig
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Thomas(Metal)
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Re: Vorteile OIRT Band

Beitrag von Thomas(Metal) »

Ein ganz anderer Vorteil vielleicht: Wie war es mit der Koordinierung von CCIR-UKW-Rundfunksendern gegenüber Staaten die OIRT nutzten? Im Wellenplan STO61 ist für diese Länder keine Belegung für 87,5-100 MHz durch UKW-Rundfunk zu finden. Es bleiben also "nur" die Fernsehkanäle R4 und R5. War damit frei koorinierbar wie wenn es sich um ein Seegebiet gehandelt hätte oder gab es bezüglich Überstrahlung trotzdem Restriktionen?
Im Plan GE84 findet man dann die auch aktuell bekannten Sender und Standorte wie eine 89,1 aus Krasov. Mußte die im Umkehrschluß dann gegen eine bestehende 89,3 vom Gr. Waldstein koordiniert werden?

Interessant finde ich weiterhin daß man einen Ochsenkopf E4 koordinieren konnte. Der liegt mit 61-68 MHz zumindest in Teilen im Bereich des OIRT-UKW-Rundfunkbandes.
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_Yoshi_
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Re: Vorteile OIRT Band

Beitrag von _Yoshi_ »

Es wäre interessant den geschichtlichen Hintergrund zu erfahren, warum der Ostblock das OIRT Band nutzte oder noch nutzt.
Viele Sender sind mittlerweile auch schon im CCIR Band gewechselt.
Auch der geschichtliche Hintergrund des Stereoverfahren wäre mal interessant.
Der Ostblock hat Polar Stereo verwendet, während wir das CCIR 19kHz Pilot verfahren verwenden.
RX QTH: Leer Ostfriesland - JO33RF
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SDR AirSpy One mit SDR#
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Harald Z
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Re: Vorteile OIRT Band

Beitrag von Harald Z »

---"Die „OIR“ (ab 1959: „OIRT“ – Organisation Internationale de Radiodiffusion et de Télévision) ist die am 28.Juni 1946 in Brüssel gegründete Rundfunkorganisation der europäischen Staaten.
Nach Ausbruch des Kalten Krieges treten die Rundfunkanstalten Westeuropas aus der OIR aus und gründen am 12.Februar 1950 die UER/EBU (Union Européenne de Radiodiffusion/European Broadcasting Union). Die OIR wird damit zur Rundfunkorganisation vor allem der volksdemokratischen Staaten im sowjetischen Machtbereich und sie verlegt ihren Sitz nach Prag"---
Aus: https://www.radiomuseum.org/forum/ukw_r ... wakei.html +Teil2: https://www.radiomuseum.org/forum/ukw_r ... eil_2.html
Ingo-GL
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Re: Vorteile OIRT Band

Beitrag von Ingo-GL »

Vorteile der tieferen Frequenz:
Die Empfangsfrequenz reagiert weniger stark auf Temperaturdrift und Erschütterungsempfindlichkeit der die Frequenz bestimmenden Bauteile.
Die verfügbare Empfangsleistung an einer Antenne wächst proportional zum Quadrat der Wellenlänge.

Ich glaube, 87,5 MHz oder 88 MHz wurde als untere Grenze des FM-Rundfunks im Westen aus praktischen Gründen gewählt. Darunter liegende Frequenzen wurden vielleicht hier und da schon behördlich genutzt.
Sascha
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Re: Vorteile OIRT Band

Beitrag von Sascha »

_Yoshi_ hat geschrieben: Do 21. Mär 2024, 17:24 Es wäre interessant den geschichtlichen Hintergrund zu erfahren, warum der Ostblock das OIRT Band nutzte oder noch nutzt.
Alle Details kenne ich auch nicht. Ganz grob die Zusammenfassung aus dem Gedächtnis, ohne Gewähr auf Vollständigkeit oder vermeidbare Schnitzer ;) - Quelle muss ich erst wiederfinden. Korrekturen und Ergänzungen erwünscht.


Die UdSSR wollte zunächst Fernsehen im VHF-Band-I und III ansiedeln und verlangte mehr Spektrum als in Atlantic City 1947 festgelegt wurde (174-216MHz). Man beabsichtigte, das Band III im Bereich 144-216MHz (9 Kanäle á 8MHz, s.u.) zu benutzen, es also wesentlich weiter unten beginnen zu lassen. Hörrundfunk sollte im Band II 87,5-100MHz stattfinden.

Als dann die europäische Rundfunkkonferenz in Stockholm 1952 (oder kurz davor?) die Entscheidung gegen die Erweiterung von Band III getroffen hat (für so einen radikalen Vorschlag wäre das wohl auch das falsche Gremium gewesen?), hat man den Bereich um Band II auch noch für Fernsehen hergenommen (und etwas erweitert für 3 Kanäle á 8MHz) und den Hörrundfunk kurzerhand ins Band I um 70MHz herum verlegt.

Zuweisungen für Hörrundfunk wurden in Stockholm 1952 zwar sowohl im Bereich 87,5-100MHz als auch im Band I getroffen, nur letztere waren von Dauer. Den Satellitenstaaten Osteuropas wurde der Frequenzplan dann quasi aufgezwungen, nur der DDR erlaubte man eine Ausnahme.

Zum erweiterten Band III:
Daher rührt auch der zunächst merkwürdig anmutende erste Fernsehsenderbetrieb in Dresden auf 145,25MHz (Bild), 151,75MHz (Ton) Anfang der 1950er Jahre (-> https://www.scheida.at/scheida/Televisi ... sendernetz) - das war ganz einfach der unterste Kanal 144-152MHz vom o.g. erweiterten Band III.
Möglicherweise war der Sender schon soweit fortgeschritten, dass ein anderer Frequenzbereich zum Inbetriebnahmedatum nicht mehr möglich gewesen wäre. Inzwischen war aber der genutzte Bereich nach den Entscheidungen in Stockholm völlig out-of-Band und musste wahrscheinlich nun bilateral zwischen mehreren Postverwaltungen abgestimmt werden.

----

Stockholm 1952 war sowieso etwas gaga :verrueckt:

Neben den Band II Hörfunkzuweisungen für ganz Osteuropa, die dann entweder nie oder nur kurz in Betrieb gingen hatte man doch für das neue Medium Fernsehen einen Kanal 41-47MHz spezifiziert und Braunschweig (100kW) zugewiesen, obwohl die Gerber-Norm mindestens 7MHz breite Kanäle erforderte :gruebel: . Die technische Umsetzung blieb offen, die Zuweisung ging nie in Betrieb.
Viele Grüße
Sascha
http://www.saschateichmann.de
strade
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Re: Vorteile OIRT Band

Beitrag von strade »

Gab es nicht vor einigen Jahren in der EU eine Anregung, UKW auf 76 MHz zu weitern ?
wasat
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Re: Vorteile OIRT Band

Beitrag von wasat »

Wolfgang R hat geschrieben:So wurde UKW-FM-Rundfunk in den USA zuerst auf 42–50 MHz eingeführt. Schon bald beschwerten sich die Betreiber bei der FCC wegen sehr häufiger Störungen der uns so vertrauten Tropo und Sporadic E Überreichweiten.
Bei den wenigen Stationen (1944 in den ganzen USA 47 FM-Stationen) waren Störungen durch Überreichweiten kaum möglich. Das AM-Bildsignal des Fernsehens gilt außerdem als etwa 25-mal empfindlicher gegenüber Interferenzstörungen als FM-Rundfunk. Dennoch wurden bis zum Ende des Analogfernsehens Sender im Band I betrieben.

Die Verlegung des FM-Bereichs erfolgte, weil abzusehen war, dass 42-50 MHz nicht ausreichen würden, um in den Ballungsräumen genügend FM-Sender unterzubringen. Man kannte das Problem ja von der Mittelwelle. Die US-Fernemeldebehörde FCC dachte daher weitsichtig.

Am 15. Januar 1945 machte die FCC den Vorschlag, das FM-Rundfunkband auf 84-108 MHz (damalige TV-Kanäle 5, 6, 7) zu verlegen. Am 21. Mai 1945 änderte die FCC ihre Pläne dahingehend, dass 3 Alternativvorschläge gemacht wurden: 50-68 MHz; 68-86 MHz; 88-106 MHz (jeweils 90 Kanäle im 200 kHz-Raster). Am 7. Juni 1945 forderten die Betreiber der aktuell 46 FM-Stationen die FCC auf, ehest eine Entscheidung für 50-68 MHz zu treffen. Die FCC verordnete aber am 27. Juni 1945 (Gültigkeit ab 25. Februar 1946) eine Verlegung des FM-Rundfunkbereichs auf 88-106 MHz (106-108 MHz vorerst für Faksimile, 1948 dem Rundfunk zugewiesen). Den Ausschlag für diese Entscheidung hat wohl gegeben, dass bei den von den FM-Betreibern gewünschten 50-68 MHz 5 der 6 existierenden TV-Stationen gezwungen gewesen wären, die Kanäle zu wechseln und ihre Sendeantennen umzubauen. Die TV-Lobby unter dem dem Medienzaren David Sarnoff war viel mächtiger als die FM-Lobby.
Ruhrwelle
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Re: Vorteile OIRT Band

Beitrag von Ruhrwelle »

Ich ergänze dich mal noch für alle, die die ausführliche Geschichte dazu lesen möchten ;) :cheers:
https://www.wabweb.net/radio/frames/fmf.htm
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