Der Röhrenradio-Thread

Das Radioforum. Hier dreht sich alles um die technischen Seiten des Radio- und TV-Empfangs.
Antworten
Dudelsack
Beiträge: 1262
Registriert: Sa 15. Sep 2018, 21:29
Wohnort: Marburg

Der Röhrenradio-Thread

Beitrag von Dudelsack »

Liebe Gemeinde,
Seit jeher faszinieren mich alte Röhrenradios aus den 1950er bis 1970er Jahren. Der einzigartige Klang, die hochwertige Verarbeitung und die Vorstellung, was wohl schon alles durch die Lautsprecher des Gerätes gedrungen sein mag, machen für mich den Reiz dieser alten Geräte aus.
Aktuell bin ich völlig von den Socken, da man mir ein Grundig 4035 3D-Klang geschenkt hat. Dieses Gerät ist ein wahres Schätzchen. Das Gerät an sich ist in einem sehr gutem Zustand, der Klang ist überragend und auch die Empfangseigenschaften sowie die Trennschärfe hat mich sehr beeindruckt. Ich kann damit zum Beispiel die 102,00 MHZ von Harmony FM aus Gießen mit etwas Feingefühl ohne Übersprechen von der 101,90 von Antenne Bayern trennen. Selbst die 100,90 von FFH lässt sich neben dem Marburger Stadtsender von Planet Radio auf 101,00 aus dem Äther fischen.
Ja, es vördert sogar Sender zu Tage, die mir kein anderes Radio heran holt: So kann ich damit MDR Thüringen auf der 91,70 vom Blessberg empfangen.
Ich habe zwar auch noch einige andere Röhrenradios wie zum Beispiel von Schaub-Lorenz oder Blaupunkt, die aber von ihrer Empfangsqualität nicht ganz an das Grundig heranreichen.
Nun habe ich mich gefragt, was für Schätzchen aus alter Zeit ihr wohl so euer Eigen nennt. Vielleicht steckt hinter so manchem Gerät sogar eine ganz besondere Geschichte.
Ich bin sehr gespannt auf eure Oldtimer!
QTH: Marburg
Stationär:
UKW:
Sony XDR S3HD
Blaupunkt Bremen MP74
Ant: 3H FM5 von Antennenland
DAB+:
TechniSat DIGITRADIO 3 VOICE
Mobil::
Degen DE1103(80/110 KHZ-Filter)
Sangean ATS909 (110/110 KHZ-Filter)
Soundmaster DAB 650SI
_Yoshi_
Beiträge: 2119
Registriert: Fr 31. Aug 2018, 17:15
Wohnort: Leer Ostfriesland - JO33RF

Re: Der Röhrenradio-Thread

Beitrag von _Yoshi_ »

Ich selber hatte hier schon einige Röhrenradios.
Alle was die gemein haben ist das der UKW Bereich recht Taub und auch recht breit im Filter sind.
Ich konnte mit denen nur die Sender aus Aurich und Steinkimmen empfangen.
Der einzige ausreißer der so ganz eben im Rauschen ging war Skyradio 101,0MHz.
Von Bremen und rest NL war nichts zu hören.
Ich denke mal das die alle einen kompletten Neuabgleich gebraucht hätten.

Gibt es eigentlich Röhrenradios die bis 108MHz gehen?
Die ich hier hatte gingen nur bis 100MHz laut Scala.
Abstimmen ging teilweise bis 102MHz.
RX QTH: Leer Ostfriesland - JO33RF
Degen DE-1103, Microspot RA-319
SDR AirSpy One mit SDR#
TEF6686 Radio
My Snip †01.09.2018 11.21Uhr
ScheichManfred
Beiträge: 157
Registriert: Fr 31. Aug 2018, 21:05

Re: Der Röhrenradio-Thread

Beitrag von ScheichManfred »

Hallo,

ach ja, ein Grundig 4035 hatte ich auch mal. Das war eins meiner ersten Röhrenradios. Aktuell habe ich (chronologisch sortiert) ein Seibt Tannenberg von 1934, einen Volksempfänger von ca. 1938, ein Mende MS216W von 1939, ein Blaupunkt von 1951 (sog. Allstromgerät, kann auch mit Gleichstrom betrieben werden), und noch diverse Geräte aus den 50er und 60er Jahren.
Die Vorkriegsgeräte verfügen natürlich noch nicht über UKW-Empfang, das Blaupunkt von 1951 hat eine etwas primitive UKW Schaltung (Flankendemodulator) und deshalb bauartbedingt nur einen sehr schwachen, verzerrten Empfang. Die späteren Geräte sind aber alle spitze auf UKW, genau wie du beschrieben hast.

Die Antwort auf die Frage nach 108 MHz liefert Wikipedia: "Bis 1964 wurden für den UKW-Rundfunk in Deutschland nur Frequenzen von 87,5 MHz bis 100 MHz eingesetzt. Dann wurde der Frequenzbereich erweitert, zunächst bis 104,5 und ab 1968 bis 108 MHz. "
Da Röhrentechnik im Jahr 1968 nicht mehr Stand der Technik war, dürfte es hier, wenn überhaupt, nur sehr wenige Modelle geben. Selbst bei Transistorgeräten aus den 70ern endet der Empfangsbereich teilweise noch bei 104 MHz.

Noch ein wichtiger Sicherheitshinweis zu Röhrengeräten: die Kondensatoren der Baujahre vor ca. 1965 stellen ein nicht zu unterschätzendes Sicherheitsrisiko dar. Die Materialien, die damals als Isolator verwendet wurden (u.A. Teer, Papier...), sind heute oft stark gealtert. Dadurch kommt es zu Kriechströmen und einer Erwärmung der Kondensatoren, die zu Kabelbränden und Explosion der betroffenen Teile führen kann. Das Risiko wird von Laien leider oft unterschätzt, und ja, es ist mir trotz großer Vorsicht auch schon passiert. Daher sollten die Geräte niemals unbeaufsichtigt laufen, und wenn sie langfristig nicht nur als Deko dienen sollen, müssen diese Kondensatoren ausgetauscht werden. Wer die alten Kondensatoren mal an ein Multimeter hängt und die Kapazität misst, wird auch enorme Abweichungen zu den aufgedruckten Werten feststellen. Dieser Fehler kommt durch die mangelhafte Isolation zustande.

Für weitere Infos möchte ich auf diesen Artikel verweisen: http://www.dampfradioforum.de/viewtopic.php?f=2&t=574
Dudelsack
Beiträge: 1262
Registriert: Sa 15. Sep 2018, 21:29
Wohnort: Marburg

Re: Der Röhrenradio-Thread

Beitrag von Dudelsack »

ScheichManfred hat geschrieben: Mi 16. Jan 2019, 22:10 Hallo,

ach ja, ein Grundig 4035 hatte ich auch mal. Das war eins meiner ersten Röhrenradios.
Handelte es sich dabei um das Modell 4035 oder um die 3D-Version?
Das Bandende ist von Gerät zu Gerät völlig unterschiedlich, selbst dann, wenn beide aus der selben Zeit stammen.
Mein Blaupunkt Barcelona beispielsweise lässt sich ganz knapp bis um die 101,8 abstimmen, das ist dann aber schon hart an der Grenze.
Das von mir im ersten Posting beschriebene Grundig hingegen empfängt mühelos bis auf 102,80 MHZ, obwohl es wie das Blaupunkt auch um 1954 herum gebaut wurde.
Was sendete damals eigentlich über 100 MHZ?
Und noch eine Frage beschäftigt mich: Früher war die Skala ja gewisser Maßen gegen den Uhrzeigersinn aufgebaut, so dass man vom Bandanfang ganz rechts bis zum Bandende auf der linken Seite kurbelte. Warum ist es bei den heutigen Geräten genau anders herum?
QTH: Marburg
Stationär:
UKW:
Sony XDR S3HD
Blaupunkt Bremen MP74
Ant: 3H FM5 von Antennenland
DAB+:
TechniSat DIGITRADIO 3 VOICE
Mobil::
Degen DE1103(80/110 KHZ-Filter)
Sangean ATS909 (110/110 KHZ-Filter)
Soundmaster DAB 650SI
PAM
Beiträge: 44334
Registriert: Sa 1. Sep 2018, 12:35

Der Röhrenradio-Thread

Beitrag von PAM »

Das ist die so genannte "Meter-Skala", sie orientiert sich an der Wellenlänge und ist dann nach rechts aufsteigend. Ich besitze u. a. eine Nordmende Carmen von 1961(gefertigt in Bremen-Hemelingen) mit UKW-Skala bis 104 MHz, wobei die 104,90 MHz mit anliegendem Zeiger gerade noch empfangbar ist. Trennschärfe und Empfindlichkeit sind ausgezeichnet. Dieses Gerät erwartet allerdings eine anständige UKW-Antenne, um sein Potenzial ausspielen zu können. Mit dem im Gehäuse eingebauten Dipol ist nur der Empfang ortsnaher Sender möglich. Klanglich macht die Carmen wirklich Spaß, bietet auch eine ausreichende Lautstärke.

Zwei kleinere Röhrengeräte besitze ich noch. Hierbei handelt es sich um 1965 in Neustadt an der Dosse gefertigte Intimo 5430. Spielfähig aber optisch nicht mehr ansprechend war das eine, das andere leider ziemlich verbastelt. Ursprünglich war geplant, aus beiden ein Gerät zu machen. Der Anteil zu tauschender Kondensatoren hielt sich bei beiden jedoch in Grenzen und somit waren beide auch spielfähig. Bei dem unverbastelten Gerät habe ich folglich das Gehäuse wegen mehreren Wasserschäden recht weit abgeschhliffen und mit einem neuen Lack versehen. Heutige Lacke aus dem Heimwerkerbereich erreichen leider nicht mehr den Spiegelglanz, den es damals mal hatte. Allerdings wurden viele Geräte auch bereits zu DDR-Zeiten abgeschliffen und in z. T. haarsträubenden Farben lackiert. Bei Freunden steht noch "irgendwas aus Sonneberg" herum, das spielbereit aber mintgrün gestrichen für 'nen 10er aus den ebay-Kleinanzeigen zu haben war. Dagegen kann ich mit dem recht hellen Seidenglanz-Lack meines Intimo ganz gut leben.

Noch ein paar Worte zu den Empfangsleistungen: Das Intimo-Chassis gehört zu der recht einfach gemachten Sorte, denn diese Geräte waren typische Zweitgeräte für Küche oder Schlafzimmer. Angesichts des Namens vermute ich letzteres. Dementsprechend gehen mit der sehr kurzen Gehäuseantenne wirklich nur die stärkeren UKW-Ortssender. An einer etwas besseren Antenne gehen auch ortsübliche Funzeln (Sender geringer Leistung) und stärkere Fernsender. Die Trennschärfe war für das damals nicht so dicht belegte Band ausreichend, heute ist sie nicht mehr zeitgemäß. Daraus resultierend sind manche Sender einfach nicht empfangbar. Die Skala geht bis 100 MHz, die Berliner 100,60 MHz ist bei beiden mit anliegendem Zeiger hörbar. Die AM-Bänder schließen Lang- und Mittelwelle sowie das 49 m-Kurzwellenband ein. Dafür gibt es keine interne Antenne, es wäre ein Langdraht anzuschließen oder man benutzt die UKW-Antenne mit. Je nach angeschlossener Antenne ist der Empfang unterdurchschnittlich bis gut.

Klanglich spielt das Intimo sehr nüchtern, wobei das hauptsächlich auf das Konto des sehr hart aufgehangenen 13 cm-Lautsprechers geht. Er soll bei Bedarf auch laut aufspielen können, hat aber gerade einmal 2 W NF-Leistung zur Verfügung. Der eingebaute Klangregler wirkt nur auf die Höhen und insgesamt wurde die Klangregelung primär auf den eingebauten Lautsprecher abgestimmt. Voll aufgedreht sind die Höhen deutlich überzeichnet, es zeigt sich am eingebauten Lautsprecher aber eine ausgezeichnete Sprachqualität und eine hohe erreichbare Lautstärke ohne Verzerrungen. Je nach persönlichem Geschmack lassen sich die Höhen reduzieren. Mit einer angesteckten externen Lautsprecherbox mit weich aufgehangenem Tieftöner kommt das Gerät klanglich etwas mehr an seine wesentlich größeren Brüder heran, bringt einen ausreichend tief reichenden Bass und saubere Höhen. Größere Lautstärken sind wegen der mageren NF-Leistung aber nicht drin. Man dreht dann den Höhenregler nur ganz leicht auf.

Das verbastelte Gerät hatte bereits einen fremden Lautsprecher, der dennoch nicht nennenswert besser klingt. Dazu kam eine nicht in das Gerät gehörende Skalenbeleuchtung mit E10-Schraubfassungen und Glühlampen vom Fahrrad-Rücklicht (6V und 0,6 W) - vermutlich weil die originalen Soffittenlampen (7 V und 300 mA) zeitweise nicht beschaffbar waren. Zudem wurde der defekte Netzschalter (im Lautstärke-Poti) durch eine erstaunliche Lösung aus einem Magnet und einem Reed-Kontakt ersetzt wurde. Angesichts des praktisch vollkommen tauben Röhrensatzes muss dieses Radio Unmengen von Betriebsstunden geleistet haben. Die ECL82 neigt in diesem Chassis bei angelaufenen/oxidierten Sockelkontakten zum Schwingen, es gibt hochfrequentes Quietschen im Lautsprecher. Ein ebenfalls nicht an das Gerät gehörendes 3 m langes Gummikabel mit Schuko-Stecker habe ich wieder gegen eins mit üblicher Länge und Eurostecker getauscht, zumal das Gummikabel auch sehr brüchig war. Original war ein zweiadriges Kabel.
🎧📺📻📡
ScheichManfred
Beiträge: 157
Registriert: Fr 31. Aug 2018, 21:05

Re: Der Röhrenradio-Thread

Beitrag von ScheichManfred »

Dudelsack hat geschrieben: Do 17. Jan 2019, 06:23 Handelte es sich dabei um das Modell 4035 oder um die 3D-Version?
Das Bandende ist von Gerät zu Gerät völlig unterschiedlich, selbst dann, wenn beide aus der selben Zeit stammen.
Ich hatte auch die 3D-Version. Für "Raumklang" gab es damals ja die unterschiedlichsten Konstruktionen, bei Saba z.B. mit zwei großen Plastiktrichtern oder auch mit seitlichen Lautsprecheratrappen, hinter denen gar kein Lautsprecher war.

Zu den Frequenzbereichen lässt sich noch sagen, dass auch in den frequenzbestimmenden Bauteilen natürlich eine Alterung auftritt. Die Spulen sind tlw. in Wachs eingegossen, das verformt sich mit der Zeit. Daher lässt sich aus heutiger Sicht eigentlich keine Aussage mehr treffen, wie genau der Empfangsbereich der Geräte im Neuzustand war, es sei denn man nimmt einen kompletten Neuabgleich nach Serviceanleitung vor.
Damals war es auch egal ob der Bereich bei 101 oder 102 MHz endet, da es auf diesen Frequenzen sowieso keinen Rundfunk gab. Heutige Radios mit Analogtuner lassen sich ja auch jenseits der 87,5 und 108 MHz abstimmen, es interessiert nur keinen.
DB1BMN

Re: Der Röhrenradio-Thread

Beitrag von DB1BMN »

Ich verstehe nicht, warum sich bis heute der Irrglaube hält, Röhren würden besser klingen!?

Ein Verstärker hat nicht zu "klingen", sondern das Eingangssignal unverfälscht zu skalieren! Genau so wenig, wie ein Netzteil, ein Netzkabel oder HiFi-Sicherung "klingen" können!

Ich habe mir zu Weihnachten von Schwägerschaft diesen Bausatz schenken lassen: http://www.elektronik-labor.de/Lernpake ... adio2.html
Wollt es am Wochenende mal aufbauen. Bin mal gespannt, wie viel man aus so einer einfachen Schaltung rausholen kann.

Beste Grüße, Marek
PAM
Beiträge: 44334
Registriert: Sa 1. Sep 2018, 12:35

Der Röhrenradio-Thread

Beitrag von PAM »

Das Gesamtkonzept erzeugt den Klangeindruck. Nachdem vor ein paar Jahren noch irgendwelche Transistortechnik in knarzende Plastikegehäuse geworfen wurde, scheint es aktuell zumindest wieder etwas besser geworden zu sein. Die Röhrengeräte hatten überwiegend ein massives Holzgehäuse und damit schon bessere Voraussetzungen, ein ansprechendes Klangbild zu erzeugen. Mir gefällt zudem bei vielen alten Geräten das Anfasserlebnis, also die fühlbare Verarbeitungsqualität.
🎧📺📻📡
DB1BMN

Re: Der Röhrenradio-Thread

Beitrag von DB1BMN »

PAM hat geschrieben: Do 17. Jan 2019, 11:10 Mir gefällt zudem bei vielen alten Geräten das Anfasserlebnis, also die fühlbare Verarbeitungsqualität.
Richtig, das Auge isst mit.
Ist halt wie bei einer Dampflok, wo man sieht und riecht, wie es funktioniert.

Ich hatte mal einen Empfänger von DRAKE, R4-C. Von Röhre bis IC die gesamte Elektronik-Geschichte drinne verbaut. Hab ich dann an einen Sammler verkauft.
Antworten