pomnitz26 hat geschrieben: ↑Mi 16. Jun 2021, 19:09
Ist es eigentlich in dieser Wegwerfgesellschaft ein Wunder das selbst der BR als Digitalradio Treiber nicht mal glaubt das DAB+ nur ansatzweise so lange wie UKW existieren könnte?
Die ersten UKW-Sender waren eine Offenbarung gegenüber der vorherigen Hörfunkversorgung über Lang-, Mittel- und Kurzwelle. Nicht nur das übertragene Audiospektrum war breiter und kam den menschlichen Hörgewohnheiten näher, auch Störungen durch Gleich- bzw. Nachbarkanalsender waren auf UKW zunächst kein Problem mehr. Die UKW-Radios der 1950er Jahre waren gewöhnlich nicht besonders empfindlich, es bedurfte außerhalb von Ballungsgebieten einer geeigneten Antenne. Auf der Gegenseite waren die UKW-Sender nicht so leistungsstark wie heute. Lokal waren damals 1 - 3 Radioprogramme verfügbar, von denen manche zeitweise am Tag auch noch Sendepause hatten sowie in der Nacht abgeschaltet wurden. Mit dem Ausbau der UKW-Sendernetze wurde die Versorgung besser, mancherorts gewann auch die Programmvielfalt das eine oder andere Programm dazu. Die Programmvielfalt wuchs erst mit den 1970ern und nochmal richtig stark in den 1980ern. Rückblickend gibt es UKW-Ausstrahlungen für Hörrundfunk nun also gut 70 Jahre. Wer noch ein altes Radio aus den 1950ern besitzt, der kann sich freuen, denn es wäre uneingeschränkt auch noch mit den heutigen Ausstrahlungen kompatibel. Wenn man mal von dem erst später bis letztlich 108 MHz erweiterten Frequenzband absieht. Manche der damaligen Geräte kommen mit der derzeitigen Senderdichte an ihre Grenzen - wirklich frei ist auf dem Band wohl nichts mehr.
Die Wegwerfgesellschaft treiben Fortschritt, Industrie und Kunden aber gleichermaßen voran. Ein heute aktuelles Smartphone ist nach zwei Jahren zumindest moralisch verschlissen. Da wundert es nicht, dass vielfach Produkte so bemessen werden, dass ihre erwartete Lebensdauer auch nur annähernd den zu erwartenden Nutzungzeitraum erreicht. Wie lange hielten sich DAB (mp2) und DVB-T1? Aus heutiger Sicht noch vergleichsweise lange. Allerdings keine 70 Jahre, wie die analoge UKW-Ausstrahlung. Deren amplitudenmodulierte Vorgängertechnologie hielt sogar über 90 Jahre durch, wenn man den Beginn regelmäßiger Hörfunkausstrahlungen mit der
Funkstunde Berlin auf den 29. Oktober 1923 datiert.
Um zum Ursprungsthema zurück zu finden: Sauer stößt mir die Wahl der ARD auf, für die Verbreitung der Hörfunkprogramme über Satellit Sendeparameter vorzusehen, von denen bereits vor der Umstellung sicher ist, dass ein großer Teil der bisherigen Geräte diese nicht verarbeiten kann.
"Okay, kaufste eben neu!" Das Problem ist aber, dass man kaum sicher sein kann, dass der Ersatzneukauf tatsächlich auch die eingesetzten Sendeparameter verarbeiten kann. Der nicht besonders technisch affine Hörer wird feststellen, dass seine gewohnten Rundfunkprogramme irgendwann abgeschaltet wurden. Wer es wenigstens fertig bringt, einen Sendersuchlauf zu starten, findet so möglicherweise die umgezogenen Programme wieder. Bleiben sie dennoch stumm, dann vermutet man, dass diese trotzdem abgeschaltet oder nunmehr verschlüsselt wurden. Ich traue mir noch zu, nach einem Sendersuchlauf "meine Programme" von verschiedenen Transpondern einzusammeln und in meiner Favoritenliste zu gruppieren. Allerdings bin auch ich darauf angewiesen, Glück zu haben und einen Satellitenempfänger zu finden, der die künftigen Parameter tatsächlich wiedergeben kann.
Mittlerweile glaube ich durchaus, dass das nur ein Übergangsschritt ist, bevor in naher Zukunft wegen zurückgegangener Nutzung ganz abgeschaltet wird. Klar, wenn eine Ausstrahlung absichtlich unattraktiv gemacht wird, weil es zum Glücksspiel wird, einen kompatiblen Satellitenempfänger "zu erwischen". Ich möchte nicht daran denken, wie viele Geräte die tatsächlich interessierten Satelliten
hörer sich online zur Ansicht bestellen und die als Retoure zurück gehen, weil eben die AAC-Programme stumm bleiben. Die Ehrlichkeit besitzt die ARD aber auch nicht, ihre Radioprogramme auf Astra zum Jahresende einfach so abzuschalten. Wäre zwar ebenso ärgerlich, wäre aber wenigstens konsequent!