GLS hat geschrieben: ↑So 8. Dez 2019, 18:23
Kabelradio dürfte bis 2018 zu einem großen Teil analog genutzt worden sein, aber das war in der Tat eine veraltete Technik und die Leute sind davon weg (daher die Rückgänge).
So ganz freiwillig sind viele davon nicht weg. Es wurde ihnen weggenommen durch Abschaltung. In meinem Bekanntenkreis war bei vielen "normalen" Menschen das Wohnzimmerradio ganz selbstverständlich ans Kabel angeschlossen. Das war bei den 40-jährigen genauso wie bei den 90-jährigen (!). Es ging da ganz klar um die Vorteile: mehr Programme (...und damit vielleicht ein, zwei brauchbare) verglichen zur regionalen Terrestrik und der fast immer bessere Empfang sogar der Ortssender verglichen zur Wurfantenne.
Der Frust war und ist groß über die Abschaltung. Nicht immer sind die Haushalte so ausgestattet, dass es gleich nahtlos mit IP weitergehen kann. Bei Senioren gibt es teilweise keinen Internetzugang als Voraussetzung für IP. Bei jüngeren Leuten habe ich erlebt, dass zwar Internet vorhanden ist, aber eben mit einem Kabel in das eine Laptop - und das Kabel wurde sofort wieder nach Abrufen der Mails rausgezogen aus Angst vor "digitalen Eindringlingen". So erlebt bei einer promovierten Medizinerin um die 40. Oder es gibt WLAN, aber keine autarken IP-Empfänger, sondern nur das Laptop, das auf dem Schreibtisch steht im Arbeitszimmer und eben nicht im Wohnzimmer. Die Totalvernetzung mit Echo und Internetradios und sonstwas kenne ich eher nicht. Dafür habe ich wohl zu viele Akademiker im Umfeld.
GLS hat geschrieben: ↑So 8. Dez 2019, 18:23
Im Unterschied dazu war DVB-C-Radio von den beiden größten Netzbetreibern bis 2018 sehr stiefmütterlich behandelt. Es gab meist nur die ÖR (ohne die richtigen Regionalversionen) und ein paar wenige bundesweite Private, oft noch verschlüsselt.
Alleine diese Öffis sind für Menschen, die kulturvoll Radio hören wollen, bereits viel, viel mehr als das regionale terrestrische Angebot. Klar, die örtlichen Hit-Dudler waren nicht dabei. Aber die dudeln meist ausreichend gut in der Küche auf dem Fensterbrett - oder haben "Hausverbot" wie bei den Leuten aus meinem Umfeld, wo wirklich nur DLF, DLF Kultur und vielleicht noch das regionale Kulturprogramm gehört wird, wenn man nichts weiteres und besseres kennt.
GLS hat geschrieben: ↑So 8. Dez 2019, 18:23
Dennoch ist die Qualität bei Vodafone bescheiden: Die ÖR werden immer noch künstlich auf 192 kbit/s heruntergerechnet, die Privaten und die Regionalen oft von analoger Terrestrik abgegriffen, was nicht selten Klangmatsch und leichtes hörbares Rauschen bedeutet.
Immerhin sind diese 192 kbps nicht merklich "matschiger" als das Original - aber die Höhen fehlen ab 13,5 kHz. Die fehlen aber z.B. auch dem Hamburger Lokalradio in der Vodafone-DVB-Variante, was einen Hörer (das ist schon eine lustige Truppe) soweit mir bekannt zu einer Beschwerde bei der Landesmedienanstalt brachte. Dürfte nur nichts daraus geworden sein.
Es ist schon auffällig mit diesen 13,5 kHz. Ist das irgendein bestimmter Encoder oder Transcoder eines ganz bestimmten Herstellers, der da schon bei 13,5 kHz "dicht" macht? ADR ging bei ebenfalls 192 kHz bei Programmen, die kein UKW-Processing drin hatten, munter bis ca. 20 kHz hoch.
GLS hat geschrieben: ↑So 8. Dez 2019, 18:23
Als Übergang zu einer rein digitalen Zuführung ist das den Umständen entsprechend aber vertretbar.
Ob es diese "rein digitale Zuführung" in Deutschland mal geben wird? Also in "hochwertig"? Aus der Schweiz kenne ich so etwas. Da steht im Technik-Raum eines Lokalradios ganz selbstverständlich der Coder für das regionale Kabelnetz und der Coder für die Swisscom (IP). In Deutschland wird es das nicht geben, höchstens in der Form, die die ARD mit dem Kabelcompression-Center ohnehin schon angeboten hat. Bei den Privatdudlern wird man "voll digital" halt den MP3-Stream abgreifen, was bei DVB-C dann Transcoding bedeutet.
Ich weiß nicht, wie die PYUR das in Berlin macht mit den lokalen UKW-Privaten. Die sind seit März 2019 in 320 kbps Layer II mit allen RDS-Daten dabei - so als ob man sie terrestrisch abgreifen würde. Soweit mir auf einem Foto aus dem PYUR-Headend Landsberger Allee ersichtlich (durfte aber nur drauf schauen und es nicht kopieren und mitnehmen) standen da QBit-Geräte. Da gibt es 8-fach UKW-> DVB-TS-Encoder. Da diese Privatdudler immer brüllend laut sind, konnte ich keinen "Rausch-Test" machen, um ggf. UKW als Quelle zu entlarven. Sie klingen so "sauber" oder eben auch nicht, wie es die Programmveranstalter wollen. Hier mal der Schnelldurchlauf:
https://we.tl/t-Ii1mlRXAZi
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die immer klamme PYUR da Coder bei allen Programmveranstaltern aufgestellt und Leitungen angemietet hat. Denkbar wäre noch, auf dem Fernsehturm die ankommenden Streams anzuzapfen und umzuwandeln (weil die ja nicht zwingend via 320 Layer II mit eingebetteten RDS-Daten ankommen müssen, sondern auch beispielsweise aptX sein können) - halte ich auch für nur gering wahrscheinlich.
Auf jeden Fall dürfte es kaum jemandem in der UKW-Hölle Berlin möglich sein, diese Programme von UKW mit einer Wurfantenne in dieser Qualität abzugreifen. Wie die einzelnen Livestreams sind, die von den Programmen selbst angeboten werden, weiß ich nicht. Es müssten mindestens 192er sein, um diese Freiheit von Artefakten zu erreichen. Ob irgendwer seinen Stream ohne UKW-Processing fährt - keine Ahnung.
MainMan hat geschrieben: ↑Mo 9. Dez 2019, 12:52
-> These: Kabelradiohörer wechseln nach der Analogabschaltung mehrheitlich nicht zu DVB-C, sondern klemmen eine terrestrische Antenne an den vorhandenen Tuner.
Oder sie wechseln zu DAB+ und Webradio, beide wachsen exponentiell.
Die Wurfantenne ist natürlich das erste, was man versucht. Und dann gibt es bei alljenen, die nicht den regionalen Hitdudler hören wollen, gaaanz lange Gesichter. In Berlin Oberschöneweide, 9 km vom Fernsehturm Alexanderplatz entfernt, bekommt man im 1. OG mit Wurfantenne nur den DLF leidlich brauchbar. DLF Kultur rauscht unerträglich, die ex-SFB-Sender vom Scholzplatz (19 km) sind teils nichtmal mehr monotauglich. Und das ist alles wohnzimmer-untauglich, es ging um Kulturprogramme.
Also habe ich dort auf DVB-C umgestellt - der TV stand eh daneben und hat nen Panel-Timeout. Noch etwas näher dran (Plänterwald) am Fernsehturm wäre im 3. OG das gewünschte Schlager-Gedudel durchaus mit Wurfantenne gegangen. Doch da sollte es unbedingt ein TechniSat Cablestar sein, der Hausherr gibt sich dort mit Mitte 70 sehr technik-affin, alles neue muss her. Also brennt dort seit einem Jahre ein Cablestar sein "Off" ins Display am Netz der Vodafone.
In Thüringen kenne ich es so, dass auf DVB-C umgestellt wurde bei einem Freund (PYUR). Die andere Bekannte ist ohnehin weggezogen, ich vermute, sie hätte nur auf Wurfantenne umgestellt und DLF Kultur als einziges in ihrer Wohnung brauchbares Programm genutzt.
Der dritte Anschluss in Jena, den ich kenne, wurde bereits eher abgeschaltet (Freiluftverkabelung mit DDR-Bauteilen ohne jede Schirmung, das hat die PYUR, die dieses kleinere Netz irgendwann übernommen hat, dann abgeknipst). Die dortigen Anschlussinhaber hatten das nur noch wegen UKW (in diesem Klein-Netz gab es mit DLF, DLF Kultur, Bayern 2, BR Klassik, MDR Kultur, hr2, WDR 3 und NDR Kultur erstaunlich viele "Klassikprogramme"), während TV via altes DVB-T lief, weil er keinen DVB-C-Empfänger drin hatte. TV hat man dann noch auf DVB-T2 umgestellt mit externem Receiver, Radio blieb immer noch am Kabel - bis zu dessen Ende. Die Frau (damals knapp 80) drehte beinahe durch, als man ihr "mein Radio" nahm. Langes Frühstück mit Hörern von Klassik oder einer Lesung war da täglicher Standard. Das Radio lief ansonsten auch zu Konzerten etc. oft. Inzwischen hat sichs erledigt: der Mann ist dieses Jahr verstorben, die Frau wohl in eine Pflegeeinrichtung gekommen (körperlich völlig fit, aber nach dem Tod des Mannes "durchgedreht").
Nebenan in Gera läuft in einem Stadtteil-Netz noch UKW mit 44 Programmen. Ich weiß, dass das genutzt wird. Auch aus Sachsen-Anhalt habe ich Rückmeldung, dass bei einer UKW-Test-Abschaltung in einem Regionalnetz sofort Anrufe kamen - vor allem von Schlagerhörern, die B2 und Paloma oder hr4 über das UKW-Kabel nutzen.
DAB und Webradio klingen meist scheiße verglichen zu gutem UKW-Kabelempfang. Das kann ich gerne belegen.
MainMan hat geschrieben: ↑Mo 9. Dez 2019, 12:52
Dass Kabelradio mehr Nutzer haben könnte, wenn das Angebot attraktiver wäre, ist unwidersprochen. Nur macht das von den Großkablern keiner
Doch - die PYUR hat in ihren Großnetzen inzwischen um die 100 DVB-C-Radioprogramme drin, greift aber teils die Lokalen vom Lifestream ab und bietet damit formal schlechtere Qualität als den Stream selbst. Das betrifft aber ohnehin keine hochwertigen Programme. Welchen Hörer von MDR Sachsen stört es schon, wenn er recodierte einstige 128 kbps MP3 vorgesetzt bekommt? Das ist ein Thema für die echten Zuhörer. Die gibt es teils bei den Kulturwellen.
MainMan hat geschrieben: ↑Mo 9. Dez 2019, 12:52
Den "Umweg" über eine herkömmliche TV-Anstalt braucht es dann nicht mehr.
Geht das auch mit aktuellen Nachrichten, mit Sendungen zu aktuell gesellschaftlich relevanten Themen und mit Berichten aus der Region? Sowas braucht Journalisten und Redaktionen und kostet ein Schweinegeld. Eine gebührenfinanzierte TV-Anstalt könnte sowas bei Umlegung auf "alle" zu sozial verträglichen Preisen machen (man nehme den Rundfunkbeitrag und ziehe alles ab, was mit Sportrechten für Großveranstaltungen zu tun hat, man ziehe alles ab, was mit billiger Unterhaltung zu tun hat etc., man ziehe ab, was man nicht mehr an Standorten / Flächen braucht, wenn man sich auf relevante Inhalte konzentriert und addiere den Einnahmeverlust durch ein komplettes Werbeverbot). Ein anderer Content-Anbieter müsste sehr hohe Preise verlangen, wenn er diese Inhalte je Kunde einzeln in Rechnung stellt, weils dann wieder nur die Bildungselite nutzen würde. Damit bliebe man wieder unter sich und es gäbe nicht einmal die Hoffnung auf Streueffekte.