Bodenwelle und Raumwelle bei MW-Sendern

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gollah

Bodenwelle und Raumwelle bei MW-Sendern

Beitrag von gollah »

Bei der Mittelwellen-Ausbreitung spielen ja sowohl die Bodenwelle als auch die Raumwelle eine Rolle. Aber warum teilen sich Funkwellen überhaupt in zwei Komponeten auf? Kann man dafür irgendwelche physikalischen Gründen angeben?

Ich denke mal für einen Programmveranstalter ist die Raumwelle eher überflüssig bis störend (Nahschwund, wenn sich Raumwelle und Bodenwelle gegenseitig stören). Gibt es bestimmte Antennentypen oder Tricks, mit denen man den Raumwellenanteil reduzieren kann?

Kann man ungefähr beziffern, wie groß der Anteil der Sendeenergie ist, der in die Bodenwelle bzw. in die Raumwelle fließt?

*Hajo*

Re: Bodenwelle und Raumwelle bei MW-Sendern

Beitrag von *Hajo* »

Muß lachen - du hörst dich eher an wie ein Programm Hörer als ein DX´er. Tags über ist nur Bodenwelle. Wir die weiter weg liegende Stationen hören wollen schalten erst ein ab Dämmerung. Wir betreiben auch großen Antennen aufwand - ich habe eine 400 Meter lange Baverage Antenne. Ich will USA hören. Du kannst die Raumwelle bei Dunkelheit nicht unterdrücken. Für freuen auf den Winter - längere Dunkelphase. Ich sage mir will jemand konstant gehört werden 24 Stunden - soll auf UKW gehen. Bei MW wird er einfach platt gemacht in der Nacht von weit entfenten Stationen.
Alqaszar

Re: Bodenwelle und Raumwelle bei MW-Sendern

Beitrag von Alqaszar »

Im (theoretischen) Idealfall ist eine Antenne punktförmig, das heißt, sie strahlt in alle Richtungen gleichzeitig. Eine solche Antenne gibt es aber nicht in der Wirklichkeit, da eine Antenne immer ein Dipol sein muss un damit eine Länge und keinen Punkt darstellt.

Nun ist es aber so, dass auch vom Dipol die Sendeenergie in alle Richtungen ausgesendet wird, allerdings in einige Richtungen stärker als in andere.

Durch weitere Veränderungen der Antenne lassen sich die Radiowellen weiter in eine bestimmte Richtung bündeln.

Das ist auf alle Fälle wünschenswert, da Sendeenergie, die nach unten in den Boden oder nach oben ins Weltall gesendet wird, ja für den Empfang verloren ist.

Allerdings gillt für Lang-, Mittel- und Kurzwellen eine Besonderheit unserer Erdatmosphäre: Sie werden nämlich von bestimmten Schichten, abhängig von der Wellenlänge und somit von der Frequenz, außerdem abhängig von anderen Einflüssen wie Tageszeit (Tag/Nacht), Sonnenaktivität etc., reflektiert.

Das ermöglicht beispielsweise interkontinentale Funkverbindungen über lange Distanzen auf Kurzwelle, da es hier ausschließlich die Raumwelle ist, welche sich im ständige Zickzack zwischen Erdboden und Atmosphärenschicht über den gesamten Erdball verbreiten können.

In bestimmten Bereichen ist die Aussendung einer Raumwelle also sogar gewünscht, hier soll so wenig Energie wie möglich in die Bodenwelle abfließen.

Auch Mittelwellensender werden während der Dunkelheit von der Ionosphäre reflektiert und können sich somit wie Kurwellen auf der Nachtseite der Erde über weite Entferungen verbreiten.

Der Betreiber eines Mittelwellensenders müsste also während des Tages möglichst viel Energie in die Bodenwelle und während der Nacht in die Raumwelle leiten. In manchen Fällen wird das auch gemacht.

Allerdings lässt sich zwar durch den angepassten Aufbau der Antenne die eine oder andere Komponente verstärken oder abschwächen, aber besonders einfachere Antennen strahlen praktisch halbkugelförmig ab, so dass also Boden- und Raumwellen gleichzeitig entstehen. Man vernachlässigt also den "Verlust", weil man keine aufwändige Antenne aufstellen möchte.

Ein besonderes Problem stellt sich dann während der Dunkelheit: Die Raumwellen werden erst in einer bestimmten Entfernung vom Sender wirksam, während die Bodenwelle vom Sender aus radial immer schwächer wird. Im Idealfall ergänzen sich nun Boden- und Raumwelle, in der Realität aber ist genau das Gegenteil der fall: Sie stören sich.

Ist man also in einem Gebiet, in dem die Boden- udn Raumwelle eines Senders gleichzeitig auftreffen, hat mand as Problem, dass die Raumwelle einen längeren Weg zurückgelegt hat als die Bodenwelle und daher mit einer kleinen Verspätung eintrifft. Die ist zwar wegen der Lichtegschwindigkeit der Wellen extrem klein, reicht aber aus, dass die Phase der beiden vom selben Sender ausgestrahlten Welle gegeneinander verschoben sind.

Das führt dazu, dass sich Boden- und Raumwelle gegenseitig auslöschen. Dieser Effekt führt zum sog. Schwund oder Fading. Der Sender scheint dann "wegzutreiben".
Kay B

Re: Bodenwelle und Raumwelle bei MW-Sendern

Beitrag von Kay B »

@ gollah
Aber warum teilen sich Funkwellen überhaupt in zwei Komponeten auf? Kann man dafür irgendwelche physikalischen Gründen angeben?
Wie schon geschrieben wurde, teilen sich die Funkwellen nicht in zwei Komponenten auf. Es wird einfach in mehrere Richtungen abgestrahlt, wobei während der Nacht die HF-Energie, die nach oben gestrahlt wird, wieder reflektiert wird.

Ich denke mal für einen Programmveranstalter ist die Raumwelle eher überflüssig bis störend (Nahschwund, wenn sich Raumwelle und Bodenwelle gegenseitig stören). Gibt es bestimmte Antennentypen oder Tricks, mit denen man den Raumwellenanteil reduzieren kann?

Kann man ungefähr beziffern, wie groß der Anteil der Sendeenergie ist, der in die Bodenwelle bzw. in die Raumwelle fließt?
Ist die Antenne von ihrer Länge in Resonanz zur abgestrahlten Frequenz, wird mehr Energie "geradeaus" statt nach oben abgestahlt. Kürzere Antennen - also solche, die durch Induktivitäten oder eine Dachkapazität - nicht mechanisch, sondern elektrisch der Wellenlänge angepaßt sind, strahlen mehr Energie nach oben ab. Eine mechanisch kürzere Antenne erzeugt also einen höheren Raumwellenanteil. Die Energie, die jeweils in die Bodenwelle oder Raumwelle "fließt" hängt also größtenteils von der Antennenanlage ab.

Ob die Raumwelle erwünscht oder unerwünscht ist, kann man so pauschal nicht sagen.

Ein gutes Beispiel hierfür ist die 1440 kHz aus Marnach in Luxembourg. Tagsüber wurde das deutschsprachige Programm von Radio Luxembourg über eine Richtantenne, bestehend aus drei 105-Meter-Masten abgestrahlt um somit über die Bodenwellen Deutschland zu versorgen. Abends wurde über 1440 kHz dann das britische Programm abgestrahlt, allerdings über eine Richtantenne, die aus einem 60 Meter hohen Mast und einem 65 Meter hohen Reflektor bestand. Hiermit hat man sich die Raumwelle zu Nutze gemacht.

In dem Wikipedia-Eintrag gibt's Bilder von den Antennenanlagen.
DJ Taifun

Re: Bodenwelle und Raumwelle bei MW-Sendern

Beitrag von DJ Taifun »

und hier findest Du auch gut erklärte Infos rund um die LW,MW und KW Sender und die Antennenanlagen: http://members.aon.at/wabweb/frames/technikf.htm :spos::spos:
Wasat

Re: Bodenwelle und Raumwelle bei MW-Sendern

Beitrag von Wasat »

gollah hat geschrieben:Ich denke mal für einen Programmveranstalter ist die Raumwelle eher überflüssig bis störend (Nahschwund, wenn sich Raumwelle und Bodenwelle gegenseitig stören).
In den USA, wo die Mittelwelle noch als Primärausstrahlungsart von großer Bedeutuung ist, versuchen in der Tat die meisten Stationen, die Raumwellenausbreitung so schwach wie möglich zu halten bzw. es ist ihnen von der Fernmeldebehörde so vorgeschrieben. Oft gelingt das nur durch drastische Leistungsreduzierungen in den Nachtstunden. Hunderte Stationen schalten überhaupt ab, wenn es dunkel wird. Lediglich relativ wenige leistungsstarke Stationen auf den so genannten Clear Channels nutzen die Raumwelle bewusst, um nachts eine große Reichweite zu erzielen.
gollah hat geschrieben:Gibt es bestimmte Antennentypen oder Tricks, mit denen man den Raumwellenanteil reduzieren kann?
Bestimmte Antennentypen ermöglichen eine flache Abstrahlung, wobei jener Anteil der Sendenenergie, der schräg nach oben abgestrahlt wird und daher nachts von der Ionosphäre reflektiert wird, gering gehalten werden kann.
DB1BMN

Re: Bodenwelle und Raumwelle bei MW-Sendern

Beitrag von DB1BMN »

Als ich in den USA unterwegs war, habe ich öfters Schilder gesehen, wo drauf stand "530 AM".
Und jedes Mal musste ich rätseln, was gemeint ist. Halbs sechs Uhr morgens, oder Mittelwelle 530 kHz?
Randfunker
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Re: Bodenwelle und Raumwelle bei MW-Sendern

Beitrag von Randfunker »

530 AM: An Häusern in einem Wohngebiet könnte es sich um "Talking House"-Kleinsender handeln: Um Infos über ein Verkaufsobjekt an Autoradios zu senden, dürfen in den USA legal Mittelwellensender von 100 Milliwatt betrieben werden. Gibt's leider bei uns nicht.
An Straßen wahrscheinlich eher eine Mittelwellenfrequenz mit Verkehrsinfos ...
_Yoshi_
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Re: Bodenwelle und Raumwelle bei MW-Sendern

Beitrag von _Yoshi_ »

Randfunker hat geschrieben: So 7. Jun 2020, 23:23 530 AM: An Häusern in einem Wohngebiet könnte es sich um "Talking House"-Kleinsender handeln: Um Infos über ein Verkaufsobjekt an Autoradios zu senden, dürfen in den USA legal Mittelwellensender von 100 Milliwatt betrieben werden. Gibt's leider bei uns nicht.
An Straßen wahrscheinlich eher eine Mittelwellenfrequenz mit Verkehrsinfos ...
So etwas würde bei uns mit FM Transmitter legal Funktionieren.
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My Snip †01.09.2018 11.21Uhr
Klaus
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Re: Bodenwelle und Raumwelle bei MW-Sendern

Beitrag von Klaus »

Im DLF gab es früher Wunschkonzert-Sendungen zur Dämmerung („Der aktuelle Plattenteller“?).

Es wurde darauf geachtet, dass Grüße für Hörer in der DDR eher in der ersten Hälfte ausgestrahlt wurden, damit die Hörer die Wunschtitel dort störungsfreier (Bodenwelle ohne Raumwelle) empfangen konnten...

Es gab hierzu mal einen Bericht im DLF vor einigen Jahren, erinnere mich nicht mehr wie er hieß, ich meine zum Abschalttermin der Mittelwellen gab es ein Feature...
Funker Tommy
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Re: Bodenwelle und Raumwelle bei MW-Sendern

Beitrag von Funker Tommy »

Die Wunschsendung hieß VON MIR ZU DIR und wurde nach 20.00 Uhr ausgestrahlt
DLR-Fan Sachsen-Anhalt
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Re: Bodenwelle und Raumwelle bei MW-Sendern

Beitrag von DLR-Fan Sachsen-Anhalt »

Die Hauptmittelwelle des DLF für die DDR, Königslutter, war nachts mit der Leistungsreduzierung nicht besonders gut zu empfangen. Die Raumwelle von anderen Stationen auf dieser Frequenz war oft stärker. Im Winter oft noch schlechter als im Sommer. Man musste für einigermassen stabilen Empfang auf LW ausweichen, in den 80igern gabs UKW an der Grenze, aber das reichte nicht sehr weit in die DDR.
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