Piratensender über DAB

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robert

Piratensender über DAB

Beitrag von robert »

Hallo,
es gibt ja ne menge piratensender auf ukw oder mittelwelle,hat den schonmal jemand einen über dab empfangen,oder besser gesagt,ist es überhaupt möglich einen piratensender über dab zu verbreiten,da doch in ensembles gesendet wird stell ich mir das etwas kompliziert vor,also wer weiß etwas?
Georg Acher

Re: Piratensender über DAB

Beitrag von Georg Acher »

Das mit den Ensembles ist kein Problem, es ist dann halt nur ein Subchannel drauf., dafür könnte man den ja mit 384kbit/s fahren. Über über die verbleibenden 600-800kbit/s könnte man noch eine Live-Webcam aus dem Studio per DivX übertragen ;-)

Für einen erfolgreichen Piratensender gibt es bei DAB ein paar organisatorische Probleme:

1) Die Zielgruppe ist relativ klein, es gibt ja nicht so umwerfend viel DAB-Radios. Und dann startet man ja auch nicht jeden Tag einen Sendersuchlauf, schliesslich ist ja bekannt, was in der Umgebung sendet... Von daher ginge es nur über viieeel Mundpropaganda. Und wenn der Sender nur nach /dev/null sendet, lohnt sich der ganze Aufwand nicht wirklich...

2) Offizielles Sendeequipment (Rohde&Schwarz, Kathrein, Harris, etc) ist schweineteuer. Du brauchst mindestens einen MP2-Encoder (>3KEUR), einen Multiplexer (tippe >30KEUR) und dann fehlt noch die Sendeendstufe...

Noch eine Anmerkung zum Selberbauen (been there, done that):

So ein "Sender" ist auch gar nicht trivial, und zwar sowohl von der digitalen Verarbeitung (Fehlerschutz, FFT, etc) als auch in den analogen Teilen. Die Sendefrequenz muss bombenstabil sein (einmal gegen den PLL-Quarz geschnippt und der Empfänger blubbert) und die gesamte HF-Kette mit der Sendstufe muss hochlinear sein. Das äussert sich dann so, dass eine 20W-Endstufe für FM gerade mal 1-2W mit DAB kann. 1W kommt bei DAB zwar schon recht weit (einige km), aber für den einen Hörer ist der Aufwand dann doch etwas hoch :-)

Andererseits wäre DAB mit einem Gleichwellennetz für einen Piratensender schon genial. Mit dem Anpeilen wird es dann schon nicht mehr ganz so einfach :p

Georg.

PS: So sieht übrigens ein 1W-DAB Sender in do-it-yourself aus:
http://wwwbode.cs.tum.edu/~acher/imgs/dab_tx.jpg

Wer's selber machen will: 5Monate Arbeit und keine Hörer...
Carsten Knütter

Re: Piratensender über DAB

Beitrag von Carsten Knütter »

Hey in Frankfurt würden wir uns über jeden Piratensender freuen, der das DAB Angebot hier erweitert, selbst wenn er nur holländische Polka in mono senden würde...
Terranus

Re: Piratensender über DAB

Beitrag von Terranus »

Genau DAB gleicht ja in Sachen Programmvielfalt der UKW aus den frühen 80ern :) Einen 20kW DAB Sender auf nen Berg in den Alpen und los geht´s ... kann man gleich 6 Piratensender auf einmal senden.
:D
Kai

Re: Piratensender über DAB

Beitrag von Kai »

Carsten, Du bist doch der einzige DAB-Hörer in Frankfurt. Für die Betriebskosten, die DAB hier (für Dich allein und vielleicht zehn weitere Idealisten) hat, könntest Du jeden Tag ein holländisches Polka-Ensemble bei Dir zu Hause auftreten lassen.

:D

(Siehe SZ-Artikel: Ein Rechnungshof hat herausgefunden, DAB kostet zZ EUR 16.000 pro Hörer)


Zum Thema.

Wenn DAB wirklich mal irgendwann UKW ablösen sollte, wird es auch Piratensender dafür geben. Bis dahin ist noch einige Jahre Zeit. Die Technik wird preiswerter und die angesprochenen Probleme auch mit Amateurmitteln beherrschbarer.

UKW-Stereo war für einen Piraten in den 70ern pure Utopie, inzwischen senden die Jungs dynamisches RDS und haben Optimod, also mal keine Panik!!!
Georg Acher

Re: Piratensender über DAB

Beitrag von Georg Acher »

Kai schrieb:

Wenn DAB wirklich mal irgendwann UKW ablösen sollte, wird es
auch Piratensender dafür geben. Bis dahin ist noch einige
Jahre Zeit. Die Technik wird preiswerter und die
angesprochenen Probleme auch mit Amateurmitteln beherrschbarer.
Die Technik wäre jetzt schon preiswert. Mein Senderchen hat (exklusive PC, da reicht aber schon ein 600MHz-Notebook) weniger als 600EUR mit Bauteilen und Platine gekostet. Und der Digitalteil ist auch nur deswegen so teuer, weil es keine billigere Variante gibt, um die 60MByte/s nach der FFT zuverlässig aus dem PC rauszustreamen. Also muss das extern geschehen (ist so eine Art Soundkarte mit 30MHz und 16Bit :eek:), und der PC liefert nur die 300KB/s an rohen Multiplexdaten.

Das kniffelige ist wirklich der Analogteil, das ist für kleine Leistungen zwar machbar (war echt meine erste HF-Bastelei..), aber man braucht dafür doch recht teueres Messequipment (Spektrumanalyzer&Co). Ich habe das mit der notwendigen Linearität auch immer als Urban Legend abgetan, aber jetzt glaube ich es voll und ganz. Bei FM dagegen reicht als Messinstrument das Radio und ein Ohr, die Linearität ist völlig egal.

Dumm ist eben auch, dass die Endstufe so gnadenlos überdimensioniert sein muss, und HF-Transistoren werden bei den Leistungen heftig teuerer. Für 1W sind's schon ca. 20EUR, 20W wären >200EUR. Und klein bleibt das auch nicht mehr. Die 1kW DAB vom Wendelstein kommen aus einem 2m hohen 19"-Schrank. Verheizen tut das Ding auch sicher >10kW...
Terranus

Re: Piratensender über DAB

Beitrag von Terranus »

@Georg: du meinst die effektiv 1kW verbrauchen 10kW ? Hmm, dann wäre viel von dem DAB Energiespareffekt weg.
Kai

Re: Piratensender über DAB

Beitrag von Kai »

Georg,

das heißt aber auch, ein kommerzieller DAB-Sender ist wesentlich teurer (Faktor?) als ein vergleichbares kommerzielles UKW-Teil. Meine Schlussfolgerung dazu spare ich mir lieber, sonst kommt noch die DAB-Lobby in dieses schöne Topic.

;)
Georg Acher

Re: Piratensender über DAB

Beitrag von Georg Acher »

Terranus schrieb:
@Georg: du meinst die effektiv 1kW verbrauchen 10kW ? Hmm,
dann wäre viel von dem DAB Energiespareffekt weg.
Anhand der nackten Zahlen mag das so aussehen, sind aber Äpfel und Birnen.

Ohne Tricks ist es so: Ab ~10% "Aussteuerung" ist ein normaler HF-Verstärker nicht mehr linear und fängt an, die einzelnen Trägerfrequenzen zu mischen. Bei FM mit nur einem Träger ist das reichlich egal, da muss man nur die Oberwellen rausfiltern.
Bei den 1536 Trägern von DAB ist das aber tödlich, weil damit die Träger sich gegenseitig die Phase (da liegt die Information drin) zerstören.

Allerdings: Es gibt Tricks dagegen, also eine Art Vorverzerrung (Precorrection), damit wird der Wirkungsgrad wieder besser. Ob das bei dem R&S-Sender auf dem Wendelstein benutzt wird, weiss ich nicht, könnte aber sein. FM-Sender haben aber auch nicht 100% Wirkungsgrad (eher 50-70%), so einfach lässt sich das auch nicht vergleichen.

Und dann ist es ja noch so, dass sich die Bandbreite bei DAB auf 6-8 Programme aufteilt, und damit auch die (Verlust)Leistung pro Programm weniger wird. Bei 1W FM vs. 1W DAB gewinnt DAB in der Reichweite bei vernünftigem Klang.

Mit DVB-T wird das Problem mit der Effizienz noch viel schlimmer, durch die 6000 Träger sind die kritischen Peaks noch höher. Ich habe da mal einen 25W-DVB-T-Sender gesehen, der hat 1000W Leistungsaufnahme...

@Kai: Wenn man die Reichweite und nur die Endstufenpreise vergleicht, ist DAB wahrscheinlich sogar billiger. Leider sahnen die Hersteller noch mächtig bei dem gesamten Zuliefer-Equipment ab (MP2-Encoder, Mux, OFDM-Coder). Vom Materialwert her ist da wirklich nichts drin, das kann heute jeder Aldi-PC, nur muss es halt jemand programmieren (bei mir ca. 20K-LOC). Auch die ganzen kranken proprietären DAB-Schnittstellen machen es nicht billiger.

Mit einem 2GHz-Aldi-PC könnte man das ganze Bayern-Ensemble MP2-Encoden (Sound käme zB. über Ethernet), mit Datendiensten versehen, und senden. Alles schon ausprobiert... Wenn einem halt nur jemand zuhören würde :-)
Kai

Re: Piratensender über DAB

Beitrag von Kai »

Also, die gute Nachricht:

Die Leistungsbilanz eines DAB-Senders ist besser als die eines UKW-Senders. Aber der Wirkungsgrad des Senders an sich ist niedriger durch die hohen Linearitätsforderungen.

Die schlechte Nachricht:

Dank der in Deutschland entwickelten Technik passt das DAB-Equipment mit so ziemlich keinem gängigen IT-Standard (Ethernet, SCSI ...) zusammen. Vielleicht ist das ja von der mitentwickelnden Geräteindustrie gewollt?

So würde sich zumindest erklären, warum manche Anbieter so große Probleme mit ihren Zusatzdiensten wie Radiotext haben. Anstatt einfach einen billigen PC hinzustellen, müssten sie das teure Equipment kaufen und sogar zusätzliche Leitungen mieten.

Ist das richtig so?
Terranus

Re: Piratensender über DAB

Beitrag von Terranus »

hmm jetzt kapier ich das. Schon interessant. Ich denke beim Empfangsequipment ist es genauso: es ginge deutlich billiger, aber die Industrie stellt sich da noch quer.
Georg Acher

Re: Piratensender über DAB

Beitrag von Georg Acher »

Kai schrieb:
Die Leistungsbilanz eines DAB-Senders ist besser als die eines UKW-Senders. Aber der Wirkungsgrad des Senders an sich ist niedriger durch die hohen Linearitätsforderungen.
Ich hab' noch was vergessen: Im Gegensatz zu UKW kann man ja alle DAB-Sender auf derselben Frequenz laufen lassen. Das hilft in der Bilanz durch die "Resteverwertung" noch stark mit. Südtirol hat AFAIR nur 8 DAB-Sender und ereicht damit eine verdammt gute Abdeckung (siehe http://www.ras.bz.it ).
Dank der in Deutschland entwickelten Technik passt das
DAB-Equipment mit so ziemlich keinem gängigen IT-Standard
(Ethernet, SCSI ...) zusammen. Vielleicht ist das ja von der
mitentwickelnden Geräteindustrie gewollt?
Ob es so gewollt ist, weiss ich nicht, aber zu den Zeiten, wo die Interoperabilität der ganzen DAB-Komponenten definiert wurde (93-95), war die Idee mit TCP/IP-everywhere halt noch nicht so weit. Das hat auch nichts mit Deutschland zu tun, neben dem IRT hatte u.a. auch die BBC die Finger drin. Die Schnittstellen (WG12, STI, ETI) sind an sich trivial, eigentlich nur schnelles RS232 mit ein paar MBit/s. Damals war das einfacher und zuverlässiger hinzubekommen als Ethernet. Heute ist das natürlich lachhaft, wenn man eine 100MBit-karte für 8EUR bekommt, die für ETI aber >500EUR kostet (mundgeblasen und handvergoldet).
So würde sich zumindest erklären, warum manche Anbieter so große Probleme mit ihren Zusatzdiensten wie Radiotext haben. Anstatt einfach einen billigen PC hinzustellen, müssten sie das teure Equipment kaufen und sogar zusätzliche Leitungen mieten.
Hauptsächlich hängt das damit zusammen, dass die ganze Infrastruktur (Technik UND Leute/Redaktion) nur auf Audio ausgerichtet ist. Es ist meistens schon ein ziemlicher Act, allein die Daten des aktuellen Lieds aus der Maschinerie rauszubekommen. Nebenbei haben viele Sender Angst, dass damit ihre "einzigartige" Playlist bekannt wird (echt wahr!)...

Und wenn es schon eine Redaktion für Geschriebenes gibt, dann nur fürs WWW oder Videotext, es fehlt die gemeinsame Datenbasis für ALLE Infodienste. Das Dynamiclabel für Bayern4 wird zur Zeit über ein Perl-Skript aus dem WWW-Programmplan rausgezogen, weil es keinen direkten Zugriff darauf gibt.

Und die IRT-Dateneintaster-SW für PAD kostet für Nicht-ARD-Anstalten auch nochmal extra (zusätzlich zum MP2-Encoder), und das ist halt einfach zuviel für die wenigen Hörer.
Kay Bartholomäus

Re: Piratensender über DAB

Beitrag von Kay Bartholomäus »

@ Georg Acher

Hübsches Gerät hast Du da gebaut. Gibt's auch den Schaltplan dazu. Den Nachbau traue ich mir ja nicht (zwei linke Hände) aber die Schaltung würd' mich mal interessieren.

Gibt's so 'nen Selbstbau auch schon für DVB-T ?


quote:

"Über über die verbleibenden 600-800kbit/s könnte man noch eine Live-Webcam aus dem Studio per DivX übertragen."

Der Videobereich tritt ja bei DAB noch in den Hintergrund. Aber was ist denn nun der festgelegte Video-Codec bei DAB? Von DivX hat man bei der Festlegung des Standards damals ja noch nichts gewußt.
Georg Acher

Re: Piratensender über DAB

Beitrag von Georg Acher »

@Kay:

Auf dem Schaltplan ist nicht viel zu sehen: 2 dicke FPGAs, ca. 600KB Cache-RAM aus einem alten Pentium 2 und ein 16MB-SDRAM aus einem alten DIMM-Modul. Das haarige ist die Logik in den FPGAs, das Board ist nämlich schon für DVB-T ausgelegt, macht daher also schon einen komplexe 32768-Punkt-FFT in ca. 2ms. In dem FPGA mit dem Kühlkörper laufen da so um die 4GByte/s rum...

Für DVB-T ist aber der Eingangsmultiplex anders (und hat mehr MBit/s), und das ist mir im Augenblick etwas zuviel Arbeit... Einige (sehr wenige) Funkamateure brüten da aber auch drüber. Insgesamt wird das aber viel aufwendiger, da mehr in HW ablaufen muss (MPEG2-Encoder, Fehlerschutz, etc).

Das mit DivX vs. DAB ist eigentlich egal. Es gibt keinen festgelegten Videocodec bei DAB, sondern nur eine standardisierte Methode, wie man die Daten überträgt und wie man den Datendienst ankündigt. Damit ist also alles möglich, man könnte es auch als Stream mit IP-over-DAB übertragen. In der Hinsicht ist DAB ziemlich zukunftssicher, wenn andere Protokolle auch so erweiterungsfähig wären, hätten wir viele Probleme weniger ;-)
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