Michael hat geschrieben: ↑Fr 22. Jan 2021, 16:34
DH0GHU hat geschrieben: ↑Fr 22. Jan 2021, 14:35
Und es kann nunmal erst recht nicht angehen, dass irgendwelche Arbeitgeber Wettbewerber durch Lohndumping und Arbeitsschutzgesetzesverstöße übervorteilen. Das zur Normalität zu erklären, wäre Irrsinn. Nein, es ist nicht normal. Es ist absolut inakzeptabel.
Es ist nicht normal aber Realität. Schon längere Zeit wird Deutschland Billiglohnland genannt. Leiharbeit, Minijobs, Verlagerung der Produktion ins Ausland scheinen komplett an dir vorbeigegangen zu sein, Was nützt es, wenn ein Betrieb zwar in einem Tarifvertrag gebunden ist, große Teile der Firma aber ausgelagert hat? Nur als Beispiel, meine Firma hat ihren Stammsitz in der Oberpfalz und deutschlandweit Niederlassungen, einige davon in Sachsen, Brandenburg, Thüringen und Berlin. Die Leute dort arbeiten mit den Kollegen aus Bayern auf den Baustellen zusammen, machen die selbe Arbeit, bekommen dafür 20% weniger Lohn, kein Weihnachtsgeld, kein Urlaubsgeld usw. Keine Gewerkschaft hat diesen Missstand bisher angeprangert. Diese "Einzelfalle" sind Realität in unserem Land. Billigarbeit im Handel, in den Schlachthöfen, bei den Zustellern, der Gastronomie im Dienstleistungsbereich, in der Pflege, im Gesundheitswesen. Das nennst du Einzelfälle ? Ich bin gespannt, was uns in den nächsten Jahren auf Grund der Corona-Lage noch blüht? Um beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu bleiben, wieviel vom Programm dort machen "Freie Mitarbeiter"? Haben die irgendetwas von den Tariferhöhungen? Ich glaube die beißen als erstes die Hunde. Versteh mich bitte nicht falsch, ich finde es natürlich richtig was du schreibst, allerdings denke ich, die Realität ist eine andere und man kann einfach nicht so tun, als ob das nicht so wäre.
Michael, dann hattest Du mich anfangs zum Teil falsch verstanden: Ich kenne diese Realität, aber ich bin nunmal von der Wichtig überzeugt, dagegen anzukämpfen und sich dagegen zu stellen. Vor allem darf man das niemals als Normalität darstellen, selbst dann nicht, wenn die Mehrheit der Arbeitsverhältnisse so wäre wie geschildert. Es ist abseits anerkannter gesellschaftlicher und arbeitsrechtlicher Normen, und Unternehmer, die nur durch Lohndumping erfolgreich sind, sind keine erfolgreichen Unternehmer, sondern Schandflecken.
Dazu gehört dann eben auch, keinen Spardruck aufzubauen, der genau solche Zustände nach sich zieht (die ÖRs beschäftigen die Freelancer auch nicht, weil es so geil ist, Geld zu sparen, sondern weil sie es müssen). Da beziehe ich dann mein eigenes Konsumverhalten durchaus ein, auch wenn's mich dann mal mehr kostet - solange ich mir das leisten kann (und das ist daher auch keine Aufforderung an alle, es genauso zu handhaben). Ich habe zum Beispiel viele Jahre keinen Fuß in eine LIDL-Filliale gesetzt (bzw meide Discounter generell, da deren günstiger Preis über ein entsprechend aggressives Einkaufsverhalten zustande kommt), versuche, den Versand über Leuteschinder wie Hermes, DPD und Co zu vermeiden, habe in meinem ganzen Leben genau EIN mal (ein mal zu viel...) et'was bei Amazon bestellt, etc. Und solange ich die Wahl habe, stelle ich meine Arbeitskraft auch nicht Firmen, deren Inhaber nur das Ziel haben, rauszuziehen was geht, zur Verfügung. Auch da ist natürlich klar, dass das nicht jeder kann. Wer aber jeden Tag mit Mißstimmung in die Firma geht, sich dort geknechtet und ausgepresst fühlt, sollte eben auch zumindest versuchen, da raus zu kommen. Die Abwanderung guter Leute hat auch gewisse erzieherische Effekte auf Chefs (zumindest auf die, bei denen Hopfen & Malz nicht verloren ist)...
Dass es auch Firmen gibt, bei denen das nicht anders geht, weil sie entweder sparen oder verschwinden müssen - Stichwort Konkurrenz aus Billiglohnländern - ist natürlich noch ein ganz anderes Thema. Sprich: Mehr als reinkommt, kann man natürlich auch nicht rausholen.
Ich sage nun ja auch nicht, dass die Angestellten von öffentlich-rechtlichen Anbietern so gut verdienen müssen wie Entwicklungsingenieure bei BMW oder Marketingchefs bei Zalando. Es gibt sicher andere positive Aspekte bei einem öffentlichen Arbeitgeber, die gewisse Nachteile beim Gehalt auch wieder kompensieren...
Aber zumindest eine gewisse Gehaltsentwicklung sehe ich dort als Pflicht. Allein schon aufgrund der Vorbildfunktion öffentlicher Arbeitgeber (die viele von denen oft genug mit Füßen treten, siehe Befristungen etc).