"Protection Level" bei DAB/DAB+

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songihr

"Protection Level" bei DAB/DAB+

Beitrag von songihr »

Hallo!

Ich habe eine Frage zum Thema "Protection Level" bei DAB/DAB+:

Manchmal liest man, dass es fünf verschiedene Protection Level gäbe, nämlich 1 bis 5 und manchmal, dass acht verschiedene gäbe, nämlich 1-A bis 4-A sowie 1-B bis 4-B. Was stimmt denn nun?

Welche Empfänger können den verwendeten Protection Level anzeigen?

Ingo-GL

Re: "Protection Level" bei DAB/DAB+

Beitrag von Ingo-GL »

Es gibt 5 + 8 Protection-Levels.

Ungleichmäßiger Fehlerschutz (UEP) ist zugeschnitten für den klassischen DAB-Audiodienst auf der Basis von MPEG 1 Layer 2. Die Sub-Samples sind bei UEP nämlich schwächer geschützt als die Skalierungsfaktoren. Dieses Vorgehen ist verantwortlich für das weich einsetzende "Blubbern" der MP2-Wiedergabe bei nur leicht gestörtem Empfang. Level 1 bietet den besten Schutz.

Bei anderen Datenströmen (auch bei AAC) ist UEP nicht sinnvoll. Hier verwendet man die gleichmäßige Fehlerkorrektur (EEP).

Es gibt 1-A bis 4-A für Datenströme, deren Datenrate ein ganzahliges Vielfaches von 8 kbps ist.
1-B bis 4-B geht nur bei Datenströmen, deren Datenrate ein ganzzahliges Vielfaches von 32 kbps ist.

Ich kenne nur einen preisgünstigen Empfänger, der das Protection-Level angibt:
Sangean DPR-14. Ein DAB-Taschenradio, das nicht mehr produziert wird.
Den Wert des Protection-Level erfährt man damit allerdings nur bei Audiodiensten, auch bei DAB-Plus-Programmen, obwohl der DPR-14 sie nicht wiedergeben kann.
Spacelab

Re: "Protection Level" bei DAB/DAB+

Beitrag von Spacelab »

Das Albrecht/Perstel Gerät konnte den Protection Level auch anzeigen. Allerdings gibt es das Teil schon seit längerem nicht mehr zu kaufen und es kann auch kein DAB+.
Alqaszar

Re: "Protection Level" bei DAB/DAB+

Beitrag von Alqaszar »

Ich plädiere dafür diesen Thread die technischen Details von DAB und DAB+ komprimiert darstellen zu lassen. Bei mir herrscht da auch noch reichlich Verwirrung und bitte daher um Überprüfung und Ergänzung folgender Aussagen:

-- Ein DAB und DAB+-Mux ist immer in 864 sog. Capacity Units (CU) unterteilt.

-- klassisches DAB: Die Bitrate, die eine bestimmte Anzahl von CUs übetragen kann, ist abhängig von dem Protection Level, welches fünfstufig funktioniert. Je besser der Schutz, desto mehr CUs benötigt der Datanstrom bei gleicher Bitrate.

Aus dem Netz habe ich folgende Tabelle eruiert:

Bitrate: (CUs bei PL1 / PL 2 / PL 3 / PL 4 / PL 5)
32 kbi/s: 35 / 29 / 24 / 21 / 16
64 kbit/s: 70 / 58 / 48 / 42 / 32
128 kbit/s: 140 / 116 / 96 / 84 / 64
192 kbit/s: 208 / 168 / 140 / 116 / 96

Im meist genutzten PL 3 also ergibt sich annähernd das Verhältnis von 0,75 CU pro kbit/s Datenrate.

Wie ist das nun bei DAB+?

Hier gibt es noch das Problem wg. Netto- und Bruttodatenrate. Wenn ich das aber richtig verstanden habe, kann man die verschiedenen Datenströme innerhalb eines Mux mischen. Man kann also MP2-Streams mit den "alten" Protection Levels mit den "neuen" AAC-Streams mischen.

Die AAC-Streams unterscheiden wieder Brutto- und Nettobitrate. Da gibt es also schon eine Verwirrung, welche dieser beiden Werte angezeigt bzw in den Listen genannt wird. Im Grunde aber dann ja immer noch die Beziehung zwischen Brutzodatenrate und verbrauchten Capacity Units gegeben. Diese aber kann man ja nicht einfach aus der "alten" DAB-Tabelle entnehmen, weil dort ja noch die Protection Levelk eine Rolle spielen.

Außerdem bilde ich mir ein, einmal verstande zu haben, dass DAB+ ebenfalls mit Protection Levels für die einzlenen Streams arbeietet, dann aber noch zusätzlich der FEC-Fehlerschutz dazukommt. Ist das richtig?

Wie komme ich ggf. von der Nettobitrate und der Bruttobotrate zu den benötigten CUs?
Nordlicht2

Re: "Protection Level" bei DAB/DAB+

Beitrag von Nordlicht2 »

Der bei DAB+ verwendete AAC Codec verwendet zusaetzlich zum Protection Level des Stream nocheinmal einen Fehlerschutz. Warum ist mir nicht ganz klar.
Der NDR scheint einen anderen Protection Level zu verwenden oder aber der AAC LC hat einen besseren Fehlerschutz als AAC V1.
Vielleicht weiss einer ob das so ist und einige Bits bei ACC V1 statttdessen fuer die SBC Informationen verwendet werden?

Der Unterschied zwischen Bundesmux und NDR ist jedenfalls am Empfaenger nachvollziehbar.

http://forum.mysnip.de/read.php?8773,945820,page=19
Spacelab

Re: "Protection Level" bei DAB/DAB+

Beitrag von Spacelab »

Bei AAC, egal ob AAC+ oder AAC+v2, ist immer eine Fehlerkorrektur eingebaut. Diese benötigt keine (nennenswerte) zusätzliche Bandbreite sondern kann, ähnlich dem Reed-Solomon Code, mathematisch Fehler bis zu einem bestimmten Punkt herausrechnen. Genauer gesagt der AAC Decoder kann das. Das wurde so im AAC Standard implementiert weil man den CODEC zukunftssicher machen wollte. Also nicht nur zum Abspielen von CD oder Speicherkarte bzw. Stick sondern man wollte den CODEC robuster machen für störanfälligere Verbindungen. IP Verbindungen (Telefonie) oder eben "Luftschnittstellen" (DVB oder DAB).
Winnie2

Re: "Protection Level" bei DAB/DAB+

Beitrag von Winnie2 »

Bei AAC, egal ob AAC+ oder AAC+v2, ist immer eine Fehlerkorrektur eingebaut.
Klugsch.... Das stimmt so pauschal nicht. Das nennt sich nicht Fehlerkorrektur sondern Fehlerverdeckung, so wie bei CD-Spielern welche ohne Aussetzer stark verkratzte CDs abspielen können.

Die meisten Player und Software welche AAC abspielen können unterstützen diese Fehlerverdeckung nicht, denn das muss muss im Audiodecoder eingebaut sein, was eben bei vielen Abspielgeräten und Audiosoftware nicht der Fall ist.
Ausserdem kann so nur eine relativ kleine Anzahl von Übertragungsfehlern verdeckt werden. Besser ist die Fehlerkorrektur lässt bei Funkübertragungen möglichst wenig Fehler durch.
Alqaszar

Re: "Protection Level" bei DAB/DAB+

Beitrag von Alqaszar »

Das würde ja auch dem Gegensatz zwischen Brutto- und Nettodatenrate bei DAB+ widersprechen.
Spacelab

Re: "Protection Level" bei DAB/DAB+

Beitrag von Spacelab »

Das stimmt so pauschal nicht. Das nennt sich nicht Fehlerkorrektur sondern Fehlerverdeckung, so wie bei CD-Spielern welche ohne Aussetzer stark verkratzte CDs abspielen können.
[klugscheißmodus] Die Fehlerverdeckung durch Interpolation beginnt bei einem CD-Player erst wenn mehr als 3500Bit unlesbar sind. (Reed-Solomon-Code Grenze ab der fehlende Daten zurückgerechnet werden können.) Eine Fehlerverdeckung findet bei AAC nicht statt sondern eine "echte" Fehlerkorrektur. Diese funktioniert nach dem CIRC (Cross Interleaved Reed-Solomon-Code) Prinzip und wird von vielen fälschlicherweise als FEC (Forward Error Correction) bezeichnet was sie nicht ist. Bei CIRC werden die Daten "Interleaved", also über mehrere Blöcke zusammen mit anderen Daten verteilt, gespeichert. Wenn man es jetzt ganz streng nimmt ist das auch keine richtige Fehlerkorrektur sondern nur eine besonders robuste Art der Speicherung. Ob und ab wann eine Fehlerverdeckung bei AAC stattfindet, darüber schweigt sich das ISO/IEC Dokument (14496-3:2001/FPDAM 4) leider aus. Es gibt aber noch ER-AAC. Eine (abwärtskompatible) Erweiterung mit zusätzlicher HCR, VCB11 und RVLC Fehlerkorrektur. Dessen Unterstützung ist aber optional. [/klugscheißmodus]
Spacelab

Re: "Protection Level" bei DAB/DAB+

Beitrag von Spacelab »

alqaszar hat geschrieben:Das würde ja auch dem Gegensatz zwischen Brutto- und Nettodatenrate bei DAB+ widersprechen.
Der Unterschied zwischen der Brutto- und der Nettodatenrate entsteht durch die zusätzliche EEP Fehlerkorrektur. Brutto mit EEP, Netto ohne EEP. Das hat also mit der AAC eigenen (ich nenne sie jetzt mal) "Fehlerkorrektur" nicht zu tun.
Winnie2

Re: "Protection Level" bei DAB/DAB+

Beitrag von Winnie2 »

Die Fehlerverdeckung durch Interpolation beginnt bei einem CD-Player erst wenn mehr als 3500Bit unlesbar sind. (Reed-Solomon-Code Grenze ab der fehlende Daten zurückgerechnet werden können.)
Ja, allerdings habe ich das mit der Fehlerkorrektur der Audio-CD nur als beispielhaften Vergleich erwähnt.
Eine Fehlerverdeckung findet bei AAC nicht statt sondern eine "echte" Fehlerkorrektur.
Eine Fehlerkorrektur findet beim Audiocodec selber gar nicht statt, diese wird im AAC-Standard nirgendwo erwähnt.
Die Fehlerkorrektur ist Bestandteil des DAB und des DAB+ Standards, nicht die des Audiocodecs.
Diese funktioniert nach dem CIRC (Cross Interleaved Reed-Solomon-Code) Prinzip und wird von vielen fälschlicherweise als FEC (Forward Error Correction) bezeichnet was sie nicht ist. Bei CIRC werden die Daten "Interleaved", also über mehrere Blöcke zusammen mit anderen Daten verteilt, gespeichert.
CIRC ist auch Teil des DAB+ Standards
Wenn man es jetzt ganz streng nimmt ist das auch keine richtige Fehlerkorrektur sondern nur eine besonders robuste Art der Speicherung.
Das ist eine Frage der Interpretation.
Fehlerkorrektur funktioniert immer nach dem Prinzip dass zu den eigentlichen Datenbits zusätzliche Schutzbits mitübertragen werden. Diese Redundanz kann man als besonders robuste Art der Speicherung ansehen.
Allerdings gibt es Grenzen, die Fehlerkorrektur kann nur korrekt funktionieren solange die Anzahl der Fehler nicht zu hoch wird.
Falls trotz Fehlerkorrektur immer noch Fehler in den Daten vorhanden sind dann wird bei DAB+ der Ton stummgeschaltet, andere fehlerhafte Daten werden von den Empfangsgeräten ignoriert.
Es gibt aber noch ER-AAC. Eine (abwärtskompatible) Erweiterung mit zusätzlicher HCR, VCB11 und RVLC Fehlerkorrektur. Dessen Unterstützung ist aber optional.
Bei DRM und DRM+ ist die Nutzung von ER-AAC laut Standard Pflicht, bei DAB+ hingegen nicht.
Ingo-GL

Re: "Protection Level" bei DAB/DAB+

Beitrag von Ingo-GL »

Für die Nutzdaten (im Main-Service-Channel) stehen 864 Kapazitätseinheiten (Capacity Units CU) zu je 64 bit zur Verfügung. Die Übertragung der 864 CU dauert 24 ms. Das ergibt eine Datenrate von 864 * 64 bits /24ms = 2304 kbps für den ganzen Main-Service-Channel und 2,66666... kbps je CU.

Coderaten der Protection-Levels des Viterbi-Fehlerschutzes:

Bei der Unequal-Error-Protection (UEP) hängt die durchschnittliche Coderate ein wenig von der Audiobitrate ab. Sie beträgt ungefähr:

Code: Alles auswählen

UEP-   Coderate je nach Audiobitrate
Level
1      0,34 ... 0,36
2      0,40 ... 0,43
3      0,50 ... 0,52
4      0,57 ... 0,62
5      0,72 ... 0,75
Für die bei AAC-Audiodiensten übliche Equal-Error-Protection (EEP) gilt:

Code: Alles auswählen

EEP-   Coderate
Level
1-A     1/4
2-A     3/8
1-B     4/9
3-A     1/2
2-B     4/7
3-B     4/6
4-A     3/4
4-B     4/5
Das Protection-Level kann für jeden Subchannel individuell eingestellt werden.
2,66667 kbps * Anzahl_der_CU * Coderate ergibt die Nutzdatenrate eines Subchannel nach dem Ausführen der Viterbi-Fehlerkorrektur.
Das ist der Wert der Datenrate, den manche Empfänger im Info-Fenster angeben.

Bei AAC-Audiodiensten folgt zusätzlich noch eine RS-Fehlerkorrektur. Die Nutzdatenrate verringert sich damit im Verhältnis 110 / 120. Es gibt Empfänger, die bei DAB-Plus-Programmen statt der Nutzdatenrate nach Viterbi die Nutzdatenrate nach Abzug der Daten für die RS-Fehlerkorrektur, also die AAC-Datenrate, angeben.

Literatur:
ETSI EN 300 401 V1.4.1 (2006-06)
Kapitel "6.2.1 Basic sub-channel organization"
Kapitel "11.3 Coding in the Main Service Channel"
Harald Z

Re: "Protection Level" bei DAB/DAB+

Beitrag von Harald Z »

Danke für die Erläuterungen.

Also kann bei DAB-alt (genauer UEP) bei gegebener Datenrate die Coderate und somit die Anzahl_der_CU in engen Grenzen festgelegt werden. Beispiel: 160 kbps wäre (bei PL3) 84 bis 120 CU möglich und in der Praxis wird meist 116 festgelegt.

Bei DAB+ (genauer EEP) ist bei gegebener Datenrate nur ein Wert für die Anzahl_der_ CU möglich (bei 160 kbps (PL3-A)dann nur 120).

Da die Datenrate durch 8 teilbar ist, ist bei EEP die Anzahl_der_CU bei PL3-A (1-A;2-A;4-A) durch 6 (12;8;4) teilbar..
Ingo-GL

Re: "Protection Level" bei DAB/DAB+

Beitrag von Ingo-GL »

Aus meinem Beitrag sollte eigentlich nicht hervorgehen, dass bei einer Audio-Datenrate von 160 kbps bei einem Protection-Level UEP 3 "84 bis 120 CU" benötigt werden. Welche Anzahl an CU genau benötigt wird, geht aus meinem Beitrag allerdings auch nicht hervor, da ich ja die Coderate bei UEP nur ungefähr angegeben habe ("0,50 bis 0,52 je nach Audio-Bitrate"). Laut dem oben zitierten Dokument sind für eine Audiodatenrate von 160 kbps folgende CU erforderlich

Code: Alles auswählen

PL     CU       Bruttodatenrate      Coderate      Bruttodatenrate
                CU * 2,66667 kbps                  160 kbps / Coderate
1      168          448 kbps          0,36           444
2      140          373 kbps          0,43           372
3      116          309 kbps          0,52           308
4      104          277 kbps          0,58           276
5       80          213 kbps          0,75           213
Die Bruttodatenrate habe ich zweimal berechnet:
1. indem ich von 2,6667 kbps/CU ausgegangen bin,
2. indem ich die Audiodatenrate durch die Coderate dividiert habe. Diese Werte weichen ein wenig ab. Das liegt wohl daran, dass die Coderate nur auf zwei signifikante Stellen gerundet angegeben ist. Das Produkt ist dann auch nur auf 2 Stellen genau.
Spacelab

Re: "Protection Level" bei DAB/DAB+

Beitrag von Spacelab »

Und um die Verwirrung noch etwas zu steigern: mein altes Albrecht DAB Radio hat mir auch den "DAB Mode" angezeigt. Dieser hatte (so vermute ich zumindest) nicht direkt etwas mit dem Protection Level zu tun. Es gab 4 Modes. Im Band-III hatte ich immer nur "DAB Mode I" erlebt. Im L-Band kam damals, zumindest hier im Saarland, mal "DAB Mode II" oder "DAB Mode III" zum Einsatz. Je nachdem wie das Ensemble gerade belegt war. Ich glaube ganz am Anfang als nur D-Kultur darüber funkte war es DAB Mode III und später als das Ensemble proppen voll war DAB Mode II oder anders herum das weiß ich nicht mehr so genau. Ich hatte auch zu der Zeit nicht darauf geachtet ob der eine DAB Mode irgendwelche Vorteile gegenüber dem anderen brachte. Schande über mein Haupt. :-(
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