Wir haben uns hier im Forum gerade in Bezug auf Niedersachsen oft genug über die restriktive Haltung zu DAB + Überstrahlungen aus benachbarten Bundesländern geärgert. Schaut man sich die Rechtsgrundlagen und Verwaltungsvorschriften dazu an, muss man einräumen, dass jedes Bundesland die Überstrahlung aus berechtigtem Interesse ablehnen und einschränken kann. Allerdings zeigt die Praxis im süd-und mitteldeutschen Raum, dass Bundesländer dies auch großzügiger mit einer gegenseitigen Tolerierung handhaben können, während Länder wie NDS und NRW dies bislang in jedem Einzelfall individuell geregelt haben.
Durch den weiteren DAB + Ausbau in Norddeutschland entsteht für solche Tolerierungsvereinbarungen aber offenbar auch hier ein zunehmender Bedarf:
Im Landtagsinformationssystem Schleswig-Holstein ist dazu eine Unterrichtung über einen Entwurf aus Mai 2019 zu einer solchen Verwaltungsvereinbarung der NDR Staatsvertragsländer zu finden. Eine Info darüber, ob dieser Vertrag (auch von NDS) bereits unterzeichnet wurde, habe ich nicht gefunden. Im Anhang der Vereinbarung sind Karten mit den zulässigen Überstrahlungspolygonen zu sehen. Im Falle von Hamburg entspricht dies in etwa dem aktuellen Versorgungsbereich des Kanals 7A.
Auch in anderen Dokumenten habe ich den Hinweis auf eine Bagatellgrenze gefunden, die ohne Vereinbarung toleriert wird: Innerhalb eines Bereichs von 30 km ab der Landesgrenze darf eine zusammenhängendes Gebiet bis zu 25 km² ohne Genehmigung überstrahlt werden.
Allerdings zeigt die Erfahrung, dass trotz solcher Festlegungen unter günstigen Bedingungen im Einzelfall auch Empfang weit über das zulässige Zielgebiet hinaus möglich ist. Von Overspillgebieten in Norddeutschland wie auf UKW wird man sich aber wohl verabschieden müssen.
http://lissh.lvn.parlanet.de/cgi-bin/st ... EBVORGLFL1
Verwaltungsvereinbarung über eine generelle Genehmigung von Überstrahlungen durch DAB+
Sendeanlagen
Verwaltungsvereinbarung zwischen den Ländern Mecklenburg-Vorpommern,Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg über eine generelle Genehmigung von Überstrahlungen auf ihren Territorien durch DAB+
Sendeanlagen.
Präambel
Zur Versorgung der Bevölkerung mit digitalem Hörfunk im Standard DAB+ werden auf dem Sendegebiet des Norddeutschen Rundfunks zunehmend neue Sender in Betrieb genommen. Zur vollständigen Versorgung der Länder mit landesbezogenen Multiplexen werden auch Sendestandorte in der Nähe der jeweiligen Landesgrenzen benötigt. Technisch bedingt lässt sich hierdurch eine Überstrahlung auf das Gebiet der benachbarten Länder nicht vermeiden. Derartige Überstrahlungen sind von den landesbezogenen Bedarfen, die von den Ländern gemeldet wurden oder werden, nicht erfasst. Für die Zuteilung der notwendigen Frequenzen durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) bedarf es daher stets einer medienrechtlichen Tolerierungszusage der zuständigen Stelle des jeweils betroffenen Landes. Zukünftig sollen diese individuellen Tolerierungsvereinbarungen, für die vom Regelungsgehalt dieser Vereinbarung erfassten Überstrahlungen, durch diese generelle Tolerierungsvereinbarung geregelt werden.
Vor diesem Hintergrund schließen die Länder Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und die Freie und Hansestadt Hamburg die nachfolgende Vereinbarung. Der Norddeutsche Rundfunk (NDR), die Medienanstalt Mecklenburg-Vorpommern (MMV), die Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein (MA HSH) und die Niedersächsische Landesmedienanstalt (NLM) als potentielle Nutznießer sichern den unterzeichnenden Ländern zu, sie über die geplante Inbetriebnahme neuer Sendeanlagen mit potentiellen Überstrahlungen zu informieren:
1. Eine Überstrahlung ist eine Versorgung mit Rundfunk, die außerhalb des als Bedarf angemeldeten Versorgungsgebietes liegt (eines Landes oder einer als Bedarf gemeldeten Region) und die sich bei der Erfüllung des Versorgungsbedarfes nicht mit vertretbarem Aufwand vermeiden lässt.
2. Überstrahlungen auf die in der Anlage dieser Vereinbarung bezeichneten Gebiete werden von den unterzeichnenden Ländern gegenseitig toleriert. Für landesbezogene Bedarfe wird eine individuell zu treffende ergänzende Tolerierungszusage nur noch dann benötigt, wenn außerhalb der in der Anlage definierten Polygone für die jeweiligen Länder ein zusammenhängendes Gebiet von mehr als 25 km² oder insgesamt mehr als 100 km² unzusammenhängende Gebiete versorgt werden. ²
3. Wasserflächen dürfen ohne territoriale Einschränkungen überstrahlt werden.
4. Vertrauensschutz wird durch diese Vereinbarung nicht eingeräumt. Für die Versorgung außerhalb des eigenen Landes, die auf Basis dieser Vereinbarung möglich wird, besteht insofern kein Schutzanspruch.
5. Die Versagung der Tolerierung vor der Inbetriebnahme einer Sendeanlage bedarf der schriftlichen Erklärung des jeweils betroffenen Landes.
6. Der schriftliche Widerruf einer Tolerierung nach Inbetriebnahme einer Sendeanlage durch das jeweils von der Überstrahlung betroffene Land ist bei Vorliegen eines nachvollziehbaren Interesses zulässig.
7. Die Länder entscheiden über die Aufnahme weiterer Vertragspartner in diese Vereinbarung gemeinsam.
8. Die Kündigung dieser Vereinbarung durch einzelne Länder ist mit einer Kündigungsfrist von 6 Monaten zulässig. Sofern das jeweilige Land kündigt, unterfallen Überstrahlungen vom Territorium des Landes nicht mehr dieser Vereinbarung. Die Vereinbarung gilt für die übrigen Länder fort, soweit sich der verfolgte Zweck auch ohne die ausscheidende Partei für die verbleibenden Länder realisieren lässt. Die aufgrund dieser Vereinbarung bereits tolerierten Überstrahlungen gelten auch bei einer Kündigung bis zu einem ausdrücklichen Widerruf weiterhin als toleriert.
9. Für landesbezogene, regionalisierte Bedarfe gilt ferner, dass eine mehrfache Überstrahlung innerhalb eines Landes – über eine Regionsgrenze hinweg – toleriert wird, sofern außerhalb einer Entfernung von 30 km zur Region kein zusammenhängendes Gebiet von mehr als 25 km² versorgt wird.
10. Die Verwaltungsvereinbarung tritt mit Gegenzeichnung aller Länder in Kraft.
Potentielle Nutznießer dieser Vereinbarung können sich nur dann auf Sie berufen, wenn Sie zuvor schriftlich zugesichert haben, die Länder und die sonstigen Betroffenen über die geplante Inbetriebnahme neuer Sendeanlagen mit potentiellen Überstrahlungen zu informieren.